27. Octubre 2025
Ketten sprengen, nach den Sternen greifen: Die Geschichte von Jaime Estela
Ein Ingenieur aus Perú bei Airbus
Tauchen Sie ein in das inspirierende Leben des peruanischen Elektronikingenieurs Jaime Estela, der seit über zehn Jahren bei Airbus in München arbeitet und als Brückenbauer zwischen Europa und Peru gilt. Im Interview erzählt Jaime, wie ihn seine Kindheitsleidenschaft für die Astronomie von Lima bis nach Deutschland führte, welche Kulturschocks und Aha-Momente ihn dort erwarteten und wie unterschiedlich die Lernphilosophien der beiden Länder sind.
Besonders spannend sind Jaimes Erfahrungen bei internationalen Raumfahrt-Kooperationen: Er berichtet anschaulich von der PeruSAT-1-Mission, für die er sich nicht nur für die technische, sondern vor allem für die menschliche Komponente - den Wissenstransfer nach Peru - stark gemacht hat.
Ein emotionales Highlight ist sein Plädoyer, die mentalen „Ketten der Vergangenheit“ zu sprengen und an das eigene Potenzial zu glauben - belegt durch die inspirierende Geschichte des peruanischen Raumfahrt-Pioniers Pedro Paulet, der schon vor Einstein und von Braun Raketenmotoren entwickelte.
Mit vielen persönlichen Anekdoten, Vergleichen und motivierenden Botschaften macht Jaime Mut, große Träume zu verfolgen, internationalen Austausch zu fördern und Peru als Innovationsstandort im Weltmaßstab neu zu denken.
Jaimes Weg von Lima nach München
Jaime berichtet, dass ihn die Astronomie schon früh faszinierte. Da es in Peru damals keine Studienmöglichkeiten dafür gab, begann er, sich über Deutschland zu informieren, wo das Studium gebührenfrei war und renommierte Forschungszentren wie das Max-Planck-Institut existieren. Auch beschreibt er den Unterschied des Studiums in Deutschland (viel Selbststudium, Theorie-fokussiert) gegenüber Peru.
Über Praktika und den Kontakt zu einem deutschen Freund bekommt er erste Jobs, u.a. durch eine Empfehlung bei einer Firma, die mit der deutschen Raumfahrtagentur DLR zusammenarbeitet.
Internationale Kooperation - Technologietransfer PeruSAT-1
In diesem Abschnitt erläutert Jaime Estela die strategische Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Peru und Deutschland im Rahmen des PeruSAT-1-Projekts.
Er schildert, wie die Initiative ursprünglich durch Kontakte mit der peruanischen Raumfahrtagentur CONIDA und deutschen Partnern (insbesondere DLR) zustande kam, was letztlich zur Anschaffung des ersten peruanischen Erdbeobachtungssatelliten PeruSAT-1 führte. Entscheidender Punkt für Estela war dabei nicht allein der Kauf von Hightech aus dem Ausland, sondern der begleitende Technologietransfer: Peruanische Ingenieurinnen und Ingenieure sollten die Möglichkeit erhalten, aus erster Hand Erfahrungen bei Planung, Bau und Betrieb von Satelliten zu sammeln und so echtes Know-how und Innovationskraft im Land zu etablieren.
Estela hebt hervor, dass diese Technologien zwar von außen eingeführt wurden, aber das eigentliche Ziel darin bestand, peruanisches Personal weiterzubilden und Kompetenzen auszubauen, damit zukünftige Raumfahrtprojekte eigenständig realisiert werden können. Aus seiner Sicht war dies für die nachhaltige Entwicklung Perus essentiell.
Er kritisiert jedoch die politische Umsetzung der Beschaffung: Obwohl viele interessante internationale Angebote vorlagen, wurde letztlich nach dem Prinzip "Regierung zu Regierung" entschieden. Dadurch kamen aus Estelas Sicht nicht unbedingt die technisch besten Lösungen zum Zug, und das Potenzial der freien Auswahl und des Wettbewerbs wurde nicht ausgeschöpft. Dennoch sieht Estela positiv auf das Erreichte: Peru besitzt nun einen eigenen Satelliten und eine dazugehörige Infrastruktur, was - bei gezielter Nutzung und Einbindung von Universitäten und Nachwuchskräften - ein wichtiger Schritt in Richtung Unabhängigkeit und Innovationskraft in der Raumfahrt bedeutet.
Exkurs Jaime Estela suchte von 2009 bis 2012 Kontakte in Peru
Gemeinsam mit dem ebenfalls am DLR tätigen Raumfahrtingenieur Martin Canales suchten sie nach Kooperationen mit peruanischen Institutionen. Sie nahmen Kontakt mit der peruanischen Raumfahrtagentur CONIDA, Universitäten und weitere Institutionen auf und führten Workshops durch.
Diese Aktivitäten mündeten in der Unterzeichnung eines MoU zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und CONIDA, das noch heute Gültigkeit hat.
Pedro Paulet als Vorbild
In diesem Abschnitt hebt Jaime Estela die historische Bedeutung von Pedro Paulet für die peruanische und internationale Raumfahrt hervor.
Paulet gilt als einer der ersten Ingenieure weltweit, der einen funktionsfähigen Raketenmotor mit flüssigem Treibstoff entwickelte – und das bereits um das Jahr 1900, etwa 30 Jahre bevor deutsche Pioniere wie Wernher von Braun aktiv wurden. Paulet baute den Motor mit eigenen Mitteln, präsentierte das Ergebnis in einem statischen Test (kein Flug, sondern eine stationäre Demonstration) und träumte selbst davon, mit seinen Erfindungen irgendwann die Mondreise zu ermöglichen.
Jaime Estela betont, wie visionär Paulets Leistung war und wie wenig Anerkennung er trotz der bahnbrechenden Errungenschaft vonseiten des peruanischen Staates erhielt. Er weist darauf hin, dass angeblich sogar deutsche Ingenieure von Paulets Konstruktionsplänen beeinflusst wurden - Gerüchten zufolge seien diese Pläne in die Hände von Wernher von Braun gelangt (dies ist jedoch bislang nicht bestätigt).
Für Estela ist Paulet ein Symbol für das enorme technische Potential Perus und ein Beispiel dafür, dass auch peruanische Ingenieure zu bahnbrechenden Innovationen fähig sind – oft aber fehlen die nötige Unterstützung und Wertschätzung im eigenen Land. Das Vermächtnis Paulets, so Estela, sollte stärker ins kollektive Bewusstsein gerufen und als Inspiration für zukünftige Generationen genutzt werden.
Kooperationen in Peru
In diesem Abschnitt spricht Jaime Estela über die Bemühungen, in Peru eigene Kompetenzen im Bereich Raumfahrttechnologie und insbesondere bei elektronischen Komponenten zu entwickeln.
Er hebt hervor, dass es bereits aktive Kooperationen zwischen der peruanischen Raumfahrtagentur CONIDA, dem IPEN (Instituto Peruano de Energía Nuclear) und dem IGP (Instituto Geofísico del Perú) gibt. Diese Institutionen verfügen über gewisse Infrastrukturen, die sich für spezielle Raumfahrttests und die Zertifizierung von elektronischen Komponenten eignen, insbesondere für Umwelt- und Strahlungstests. Laut Estela könnten mit relativ geringen Investitionen wichtige Qualifizierungen und Entwicklungen national umgesetzt werden.
Ein zentrales Anliegen ist dabei, dass solche Aktivitäten nicht nur den staatlichen Institutionen vorbehalten bleiben, sondern dass auch Universitäten stärker eingebunden werden – sowohl in der praktischen Ausbildung als auch in der Forschung. Estela betont, dass er gerne bereit ist, solche Initiativen zu unterstützen, Schulungen zu geben und seine Expertise für die Weiterentwicklung der peruanischen Raumfahrt bereitzustellen.
Ratschlag: Mentale Ketten überwinden
Im Interview nutzt Jaime Estela die Geschichte des „elefanten encadenado“ (angeleinter Elefant), um die psychologischen Barrieren vieler Menschen zu verdeutlichen. Er berichtet, dass in Indien Elefanten als Arbeitstiere schon im Kindesalter mit einer schweren Eisenkette angebunden werden. Der junge Elefant versucht immer wieder, sich zu befreien, scheitert aber wegen der Schwere der Kette. Wenn er dann erwachsen ist und mittlerweile viel stärker wäre, bindet ihn der Besitzer nur noch mit einem kleinen Holzpflock und einer leichten Kette an – doch der Elefant versucht gar nicht mehr, sich zu befreien, weil er gelernt hat, dass es ohnehin nicht geht. Diese gelernte Hilflosigkeit bleibt bestehen, obwohl er die Kraft hätte, sich zu lösen.
Jaime verwendet dieses Gleichnis als Metapher für die mentalen Ketten, die viele Peruaner (und generell Menschen in ehemals kolonisierten Ländern) in sich tragen: jahrhundertelange Fremdbestimmung, fehlendes Selbstvertrauen und die Vorstellung, weniger fähig als andere (z.B. Menschen in Industrieländern) zu sein. Genau diese Barrieren, sagt Estela, müssten durchbrochen werden, um wahre Unabhängigkeit und Fortschritt zu erfahren.
Er ruft dazu auf, diese Überzeugungen hinter sich zu lassen und sich bewusst zu werden, dass man ebenso fähig und begabt ist wie Menschen in Europa, Nordamerika oder Fernost. Nur indem man dieses alte Denkmuster ablegt – die „mentalen Ketten“ wie der Elefant –, sei echter Fortschritt möglich. Er ermutigt seine Landsleute und besonders die Jugend, an sich zu glauben, eigene Ideen zu verwirklichen und mutig neue Wege zu gehen.
Jaime Estela ist der Erfinder von Space COTS
Jaime Estela erläutert das Prinzip und die Bedeutung von „Space COTS“ (Commercial-Off-The-Shelf).
Er erklärt, dass es sich dabei um handelsübliche, frei verfügbare elektronische Komponenten handelt, die ursprünglich nicht speziell für die Raumfahrt entwickelt wurden – beispielsweise Bauteile wie sie in alltäglichen Geräten oder Mobiltelefonen verwendet werden. Dieses Konzept steht im Gegensatz zur klassischen Raumfahrttechnik, bei der üblicherweise speziell geprüfte und sehr teure Komponenten eingesetzt werden.
Das Besondere an Space COTS ist die intensive Umweltprüfung, die solche Komponenten durchlaufen müssen, bevor sie für Raumfahrtmissionen eingesetzt werden dürfen. Estela erläutert, dass im All extremere Bedingungen herrschen – etwa starke Temperaturschwankungen, Vakuum und hohe Strahlungsdosen. Deshalb werden Space COTS-Komponenten in aufwendigen Tests (Thermovakuum, Vibration, elektromagnetische Belastung, Strahlung) daraufhin geprüft, ob sie diesen Herausforderungen standhalten.
Das Ziel dieser Herangehensweise ist, die Entwicklungskosten für Satelliten und sonstige Raumfahrtsysteme deutlich zu senken und Innovation zu fördern. Insbesondere Länder wie Peru, die keine ausufernden Budgets haben, profitieren davon, durch kluge Prüfverfahren und kreative Nutzung handelsüblicher Elektronik trotzdem leistungsfähige Raumfahrtprojekte realisieren zu können.
Am Ende betont Estela, dass die Etablierung von Space COTS auch wissensbasierte Entwicklung in Peru fördert, Studierenden und Ingenieurinnen neue Möglichkeiten eröffnet und einen modernen, praxisnahen Zugang zur Raumfahrttechnik schafft.
Zukunftsaussichten
Estela malt eine zukunftsweisende Vision für Peru: Er ist überzeugt, dass Peru das Potenzial hat, zur führenden Raumfahrtnation in Lateinamerika zu werden - vorausgesetzt, es gibt hinreichende staatliche Unterstützung und nachhaltige Finanzierung.
Er führt aus, dass Peru nicht nur qualifizierte Fachkräfte, sondern bereits eine Basis an Infrastruktur besitzt. Diese kann durch zielgerichtete Investitionen und politisches Engagement weiter ausgebaut werden. Die zentrale Botschaft ist dabei, dass Eigeninitiative, Selbstbewusstsein und der Wille, neue Wege zu gehen, die entscheidenden Faktoren sind.
Estela plädiert dafür, das immense Talent der peruanischen Ingenieurinnen und Ingenieure gezielt zu fördern und sich nicht länger von eingefahrenen Denkmustern oder Zweifeln bremsen zu lassen – so könnte Peru in wenigen Jahren im lateinamerikanischen Vergleich führend im Bereich Raumfahrt und Hightech werden.
Des Weiteren animiert er CONIDA dem MoU Taten folgen zu lassen, weil MORABA die Mobile Raketenbasis (MORABA) des DLR sehr an einer Zusammenarbeit interessiert ist und in letzter Zeit Bewegung auf peruanischer Seite in Punkto Raumfahrt gibt (MoU mit der NASA, usw.).


Ratschlag: Mentale Ketten überwinden
Jaime Estela ist der Erfinder von Space COTS

