20. Enero 2018

Copa Perú 2017

Von Che Futbol - Fútbol en Latinoamérica, Themen Deporte | Boletín 2018 - 02 Febrero

Von betrügerischen Trainern, Kantersiegen und Schüssen in die Luft

Copa Perú 2017

Die Copa Perú, die als einer der faszinierendsten Wettbewerbe im Fußball überhaupt gelten darf, hat auch 2017 ihre unvergleichlichen Geschichten geschrieben. Über 30000 Mannschaften nahmen teil, am Ende stemmte EM Binacional aus Arequipa die Orejona Chola, den peruanischen Henkelpott, in die Höhe. Anekdoten aus der wilden Welt des Fútbol Macho.

Der Betrüger. Eigentlich war Sport Collao auf der Departementsebene von Puno schon ausgeschieden: Im entscheidenden Spiel am 14. Juli gegen UDE Azángaro versagte der Mannschaft aus Ilave im Elfmeterschießen die Nerven, der Gegner qualifizierte sich für die Endrunde der Departementsebene in einer Dreiergruppe mit Estudiantes Puno und Alfonso Ugarte. Für Sport Collao dagegen hieß es: Saison beendet, alle nach Hause bis zum nächsten Jahr. Oder doch nicht? José Luis Bustamante, der Trainer von Collao, hatte da andere Informationen: Der Onkel eines Betreuers habe beim Verband in Lima ein gutes Wort eingelegt, und dieser werde für die Endrunde vermutlich eine Vierergruppe absegnen, mit Collao als viertem Klub (Collao und UDE waren punktgleiche Erste ihrer Gruppe gewesen, weswegen ein Elfmeterschießen notwendig wurde). Eine hanebüchene Story? Nicht in der Copa Perú, nicht für Sport Collao. Drei Wochen wurden die Spieler weiter bezahlt, trainierten und bereiteten sich vermeintlich auf die Endrunde vor, dann flog auf: Alles erfunden, eine Vierergruppe stand nie auch nur zur Debatte. Und José Luis Bustamante war seinen Job los.

Die Perfiden. Puno lieferte auch eine weitere gute Story. Eine Ebene weiter waren es die Estudiantes Puno und Alfonso Ugarte, die einen perfiden Plan ausheckten: Vor dem letzten Spiel, Estudiantes gegen Credicoop, waren die Estudiantes schon ausgeschieden. Alfonso Ugarte dagegen stand gemeinsam mit SIEN und jeweils elf Punkten an der Tabellenspitze, Credicoop hatte acht Zähler. Über die Tordifferenz hätte Credicoop nun die beiden Spitzenreiter noch einholen können, die Zuschauer im Estadio Politécnico Regional freuten sich schon auf eine spannende Aufholjagd. Die sollten sie nie zu sehen bekommen, denn die Gäste von Estudiantes traten die Reise nach Juliaca gar nicht erst an. Der Hintergedanke, wohl paktiert zwischen den Präsidenten von Estudiantes und Ugarte: Ein Sieg mit Nichtantritt wird als 3:0 gewertet – zu wenig für Credicoop (Tordifferenz nun +4), um Ugarte (+8) und SIEN (+5) noch abzufangen und in die nationale Ebene aufzusteigen. Letztlich wurde Ugarte noch belohnt: Per Auslosung wurde der Klub zum Gruppen- und damit Departementssieger erklärt. Credicoop hingegen musste ein Entscheidungsspiel um Platz zwei (der ebenfalls zum Aufstieg berechtigt) gegen SIEN bestreiten, zog den Kürzeren und war ausgeschieden.

Der wehrhafte Schiedsrichter. Weltweit sorgt aktuell das Nachtreten von Referee Tony Chapron im Ligaspiel zwischen PSG und Nantes für große Aufregung, doch in der Copa Perú lacht man über solche Banalitäten. Als Schiedsrichter Daniel Flores (auf der Provinzebene von Trujillo) Porvenirs Luis Luna Victoria vom Platz stellte, revanchierte sich der mit einem Schubser gegen den Unparteiischen. Dessen Reaktion: Ein beherzter Tritt in Lunas Hintern. Fútbol Macho halt.



Die Nimmersatten. Auf der Departementsebene von Tacna war Coronel Bolognesi, einst sogar Meister in der ersten Liga, der haushohe Favorit. Wie haushoch, das musste Juventud Locumba schmerzlich erfahren: Am Ende stand ein 22:0 für Coronel Bolognesi, Kevin Laura erzielte neun Tore. In der nur fünf Spiele umfassenden Gruppenphase schluckte Locumba 52 Gegentore, Coronel Bolognesi traf 49-mal. Ebenfalls ein 22:0 gab es auf Distriktsebene in der Liga von Morales zwischen Santa Rosa und Valle Real. Für manchen endet der ferne Traum von der ersten Liga also ziemlich unsanft.

Schüsse in die Luft. Ebenfalls unsanft zur Sache ging es zwischen Atlético Grau und Chorrillos auf der Departementsebene von Piura. Die Gastgeber führten mit 2:0, als der vermeintliche Anschlusstreffer von Chorrillos durch Linienrichter Edgar Chero aberkannt wurde. Direkt nach dem Pfiff stürmte eine kleine Gruppe von Chorrillos-Fans auf den Schiedsrichter zu und attackierte diesen mit Faustschlägen. Es entwickelte sich ein Tohuwabohu, in dem immer mehr Menschen auf das Spielfeld strömten und die Spieler von Grau und das Schiedsrichterteam attackierten. Auch auf den Rängen und vor dem Stadion gerieten die Fangruppen aneinander. Letztlich regelte die Polizei die Sache rustikal: Mehrere Schüsse in die Luft sollten die Gemüter beruhigen. Diese brachiale Methode funktionierte aber nur mäßig, so dass die Raufereien vor dem Stadion weitergingen. Am Ende wurde Chorrillos aus der Copa ausgeschlossen.



Das Aufstiegsdrama. Am Ende waren nur noch vier aus über 30000 Mannschaften übriggeblieben: Estudiantil CNI, José Carlos Mariátegui, EM Binacional und das eben erwähnte Atlético Grau. Keines der Teams kam aus Lima – die ersten beiden aus der Selva (Regenwald), Binacional aus der südlichen Millionenstadt Arequipa, Grau aus Piura im Norden. Dennoch wurden alle Spiele der entscheidenden Gruppenphase im Nationalstadion der Hauptstadt ausgetragen. Um möglichst viele Zuschauer anzulocken, programmierte der Verband dabei stets Doppelspieltage, wobei der Eintritt für beide Matches galt. Die favorisierten Atlético Grau und Binacional holten vier Punkte aus den ersten beiden Spielen und traten am letzten Spieltag gegen das schon ausgeschiedene José Carlos Mariátegui bzw. das noch auf ein Wunder hoffende CNI an. Angesetzt war im Doppelspieltag zunächst das Duell zwischen Grau und Mariátegui, direkt danach das zwischen Binacional und CNI. Doch dieser „Doppelpack“ an Spielen war hochumstritten: Da bei einem Sieg von Grau einerseits Binacional genau wusste, wie hoch sie für den Aufstieg gewinnen würden müssten und andererseits alle Aufstiegshoffnungen und somit jede Motivation für CNI sich in Wohlgefallen auflösen würden, forderten nicht nur Grau, sondern auch neutrale Beobachter, die Spiele zeitgleich und also in unterschiedlichen Stadien auszutragen. Umso mehr erschien dies sinnvoll, als dass Bestechungsvorwürfe in der Copa Perú alltäglich sind.

Der Verband lehnte das Ansinnen dennoch ab, und es kam, wie es kommen musste: Grau, das unter dem Druck stand, vorlegen zu müssen, führte zwar in den letzten Minuten mit 3:1, wusste aber vor dem Spiel von Binaconal nicht, ob das ein ausreichend hoher Sieg sein würde. Letztlich entschied man sich für den Angriff – und in der Nachspielzeit traf Mariáteguis Goalgetter Walter Cárdenas mitten ins Herz der Albos. Sein Anschlusstreffer bedeutete, dass Binacional jeder Sieg zum Titel reichen würde, während Gegner CNI durch Graus Sieg ausgeschieden war. Umso mehr schmerzte das Tor die Mannschaft von Grau, als dass Binacional sich dennoch schwer tat und lange nur mit 1:0 führte. Erst in der Nachspielzeit machte Eduardo Torres den Deckel drauf und Binacional endgültig zum Sieger der Copa Perú, zum Ersten unter tausenden Mannschaften des peruanischen Amateurfußballs – und nächstes Jahr zum Erstligisten: Sueño cumplido, der Traum ist in Erfüllung gegangen. Und zehntausende Amateurfußballer dürfen träumen, dass dann eben 2018 ihr großes Jahr wird.

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