06. Januar 2022

Interview mit Abogada Ana Melva Perez

Themen Peruanische Innenpolitik | Newsletter - 2022 - 01 Januar

Das Gespräch führte Heinz Schulze

Interview mit Abogada Ana Melva Perez

Peru-Vision bedankt sich bei Ana Melva Pérez de Preitschopf für die Genehmigung das folgende Interview (Erstveröffentlichung bei Informationsstelle Peru) in voller Länge in Peru-Vision.com zu veröffentlichen. Frau Pérez de Preitschopf war Persönlichkeit anlässlich der Zweihundertjahrfeier im Februar in Peru-Vision und hat verschiedene Artikel auf unserer Plattform veröffentlicht. Herr Heinz Schulze ist ein alter bekannter von Peru-Vision und wurde vor kurzem mit seiner Frau Trudi für Eine-Welt-Engagement geehrt.
Im Folgenden geben wir das von Heinz Schulze mit Abogada Ana Melva Perez am 11. November in München geführte Gespräch wieder.

Wir beginnen dieses Interview mit einigen Fragen zu Deiner Person. Stell Dich bitte einmal unseren Leser*Innen vor:

Mein Name ist Ana Melva Pérez de Preitschopf. Ich bin in Lima, Peru geboren und studierte dort Jura und Psychologie. Ich lebe jetzt in der Nähe von München mit meinem deutschen Mann und unserem Sohn.

Was waren Deine Tätigkeiten oder Aktivitäten in Peru?

Ich war unter anderem Stadträtin in der Gemeinde San Juan de Lurigancho (Lima), dann wissenschaftliche Beraterin bei Abgeordneten im peruanischen Parlament, war im Büro des Frauenministeriums tätig, war auch Beraterin für Stadtverwaltungen in den Gemeinden Puente Piedra oder Chaclacayo, San Luis und war bei UNICEF Peru engagiert.

Dann bist Du nach Deutschland gekommen, warum?

Das war für ein Aufbaustudium an der Universität München für deutsches und europäisches Recht. Ich habe das mit dem Titel Magister Legum /LL.M) abgeschlossen. Das war ein schwerer Weg. Ich bin jetzt das erste Mitglied für peruanisches Recht der Rechtsanwaltskammer München und bin auch Mitglied der Rechtsanwaltskammer in Lima, in München und im deutschen Anwaltsverein.
In Deutschland wurde mein Psychologiediplom aus Peru durch den Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen in Berlin anerkannt. Ich berate vor allem Frauen mit Migrationshintergrund (spanisch-portugiesisch) bei der Nichtregierungsorganisation Donna Mobile (München), besonders in rechtlichen Angelegenheiten.
Als peruanische Rechtsanwältin mit einem deutschen juristischen Postgraduierten-Abschluss bin ich in der international tätigen Anwaltskanzlei Dr. Hofmann und Pérez in München tätig und arbeite dort mit einer peruanischen Kanzlei in Lima zusammen. Die Kanzlei hat hauptsächlich Mandantinnen und Mandanten aus Deutschland, Spanien und Lateinamerika mit Schwerpunkt Familien-, Erb- und Internationalem Privatrecht.

Doppelte Staatsbürgerschaft

Neben Deiner beruflichen Tätigkeit engagierst Du Dich in der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft von Peruaner*Innen – und Personen aus anderen Ländern Lateinamerikas. Ich kenne Personen aus Lateinamerika, die hier leben und zwei Pässe haben. Was bedeutet das?

Menschen aus Ländern wie zum Beispiel Mexiko, Argentinien, Brasilien, Kuba, Venezuela, Ekuador oder Chile haben es leichter die doppelte Staatsbürgerschaft zu erlangen. Denn in den Verfassungen dieser Länder steht sinngemäß: Die eigene Staatsbürgerschaft ist ausdrücklich oder unausgesprochen. Es kann nicht darauf verzichtet werden.
Der Vorteil dieser Regelung ist, dass zum Beispiel mexikanische oder brasilianische Staatsbürger bei Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft automatisch in den Genuss einer doppelten Staatsbürgerschaft kommen. Für Länder wie Peru, Kolumbien, Panama und Paraguay gibt es diese Reglung nicht
Wenn wir Peruanerinnen und Peruaner die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen, verlieren wir automatisch die peruanische. Das darf nicht sein.

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ja besonders interessant für Eheleute, bei denen ein Partner zum Beispiel aus Peru kommt. Nehmen die hier lebenden PeruanerInnen das Problem denn einfach so hin?

Also zumindest wir vom Komitee Gestor Internacional akzeptieren es nicht, denn es ist ja ein Fall einer gravierenden Diskriminierung gegenüber Personen aus anderen Ländern Lateinamerikas. Das Komitee Gestor Internacional ist ein kleines Netzwerk von Juristinnen, Psychologen etc. in verschiedenen Ländern Europas. Wir engagieren uns bereits seit 2008, um das Problem hier und in Peru bekannt zu machen und Lösungen vorzuschlagen. Ich bin Mitgründerin dieses Komitees.

Und worin besteht nun dieses Engagement?

Wir setzen uns seit 2013 für die Änderung des Artikels 8 des peruanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 26574 ein.
Wir engagieren uns nicht so sehr für eine Änderung der peruanischen Verfassung. Die ist bei der politischen Zusammensetzung im Parlament derzeit kaum durchsetzbar. Aber das Staatsangehörigkeitsgesetz ist leichter veränderbar. Das ist schwer zu erklären, aber es würde so gehen: Dieses peruanische Gesetz regelt die Wiedererlangung der peruanischen Staatsangehörigkeit. Dieser entsprechende Artikel 8 wurde auch am 21.7.2021 vom peruanischen Parlament mehrheitlich verabschiedet. Das würde den Prozess einer doppelten Staatsangehörigkeit wesentlich vereinfachen. Leider steht die Ausführungsbestimmung zu diesem Gesetz noch aus, damit das in Kraft treten kann. Die neue Änderung dieses Gesetzes gilt nur für Länder, die die doppelte Staatsbürgerschaft akzeptieren würden. Für Länder wie Deutschland oder Österreich nicht. Damit sich das ändert, setzen wir uns in Peru mit Presse-und Fernsehinterviews und Anfragen an die aktuellen Abgeordneten ein.

Ich habe gehört, dass es Berater*innen gibt, die sagen, es gibt das Gesetz, also kann man jetzt den Weg gehen und hat ein Anrecht auf die doppelte Staatsbürgerschaft. Ist das nun so?

Nein, das ist nicht so
Nochmals: Der peruanische Staat würde eine doppelte Staatsbürgerschaft akzeptieren. Aber der deutsche Staat macht das nicht, weil ja die entsprechende Regelung nicht in der peruanischen Verfassung steht, dass die eigene Staatsbürgerschaft unverzichtbar ist. Eine solche Rechtsbelehrung ist unverantwortlich.

Aber es gibt – wie wohl immer – auch Ausnahmeregelungen?

Ja, die gibt es im deutschen Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG), aber das ist sehr kompliziert. Ausnahmeregelungen gibt es bei gravierenden Gründen. Ein Beispiel kann sein, wenn die Person, die jetzt deutscher Staatsbürger oder deutsche Staatsbürgerin ist, in Peru eine große Erbschaft macht, oder wenn sie ein sehr großes Geschäft in Peru machen will und, und…

Aha, dann ist das eine Regelung für bekannte peruanische Fußballspieler in Deutschland oder für den Schriftsteller Vargas Llosa?

Für Vargas Llosa gilt das nicht, weil er ja in Spanien lebt. Spanien lässt ja die doppelte Staatsbürgerschaft zu.

Welche konkreten Nachteile haben Menschen aus Peru, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen?

Wir verlieren unsere zivilen und politischen Rechte, wir sind offiziell Ausländer in unserer Heimat Peru. Wir bekommen bei der Einreise ein Visum als Tourist für 3 Monate und müssen für jeden weiteren Tag einen Euro zahlen. Für uns gilt dann das peruanische Ausländergesetz, wir dürfen nicht wählen und nicht gewählt werden. Die Vertragsfreiheit ist eingeschränkt, da wir eine Genehmigung der peruanischen Behörden brauchen, um Verträge abzuschließen. Peruaner*innen mit deutschem Pass können kein Konto in Peru eröffnen und werden beim peruanischen Geburtenregister RENIEC als „hat auf die Staatsbürgerschaft verzichtet” verzeichnet.

Nochmals, wenn die entsprechende Regelung in der peruanischen Verfassung erstmals so nicht geändert wird, gibt es dann keine anderen Möglichkeiten?

Doch die gibt es. Hier in Deutschland müsste das Staatsangehörigkeitsgesetz geändert werden, das noch von 1913 stammt. Es müsste geändert werden, in dem Sinne, dass die doppelte Staatsangehörigkeit erlaubt wird. Deshalb haben wir uns als Komitee Gestor Internacional jetzt auch mit unserer Forderung an die Verhandlungsführer*innen der Ampel-Koalition gewandt. Eine entsprechende Änderung des hiesigen Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) ist die Umsetzung unseres Rechts.

Ausführungsverordnung zum veränderten § 8 des peruanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes

Wenn ich es richtig verstanden habe, dann setzt Ihr euch einmal ein für PeruanerInnen, die nicht auf ihre eigene Staatsangehörigkeit verzichten und die deutsche annehmen wollen. Dazu, so Euer Ziel ist, dass der Artikel 53 der peruanischen Verfassung entsprechend, wie wir gehört haben, geändert wird, dass die ursprüngliche peruanische Staatsbürgerschaft beibehalten werden kann. Und Ihr setzt euch ein für Peruanerinnen und Peruaner, die auf ihre peruanische Staatsangehörigkeit bereits verzichtet haben, und die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben, dass sie im Sinne des § 8 des peruanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes zur Wiedererlangung der peruanischen Staatsangehörigkeit geändert wird.

Damit das geschehen kann, muss noch die Ausführungsverordnung dieses neuen Gesetzes erlassen werden, um in Kraft zu treten. Das ist dann eine Aufgabe der aktuellen Regierung. Das würde aber nur bisher gelten für Personen, die in Holland, Schweden oder Norwegen eingebürgert werden. In Deutschland würde das nicht möglich sein, weil das aktuelle Staatsbürgerschaftsgesetz von 1913 noch gilt. Also muss hier vorrangig angesetzt werden.

Nachtrag:

Im neuen Koalitionsvertrag von SPD- Grüne und FDP steht, dass das Staatsangehörigkeitsgesetz modernisiert werden soll. Das eröffnet wohl neue Möglichkeiten?

Das ist natürlich eine tolle Sache. Dafür kämpfen wir ja als Komitee seit 2013 und sehen, dass wir ganz aktuell sind. Wir hoffen, dass die neue deutsche Regierung über das Thema Migration, Teilhabe und Staatsangehörigkeitsrecht das aktuelle Staatsangehörigkeitsgesetz so ändert und modernisiert, dass eine doppelte Staatsbürgerschaft für die betroffenen Menschen und ihre Nachkommen ermöglicht wird.

 

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