27. Noviembre 2023

Ida y vuelta español

Von Ernst R. Hartmann, Themen Sociedad y Cultura | Teatro

Fischerboote an der Küste Chimbotes

Im Dezember 2023 hat das Stück "Hin und zurück - Ida y vuelta" des Cargo-Theaters Premiere im E-Werk Freiburg. Mit Leon Wierer, Performer, Dramaturg und Regisseur, sprach unser Redaktionsmitglied Ernst R. Hartmann.

Ernesto: Theaterkooperationen sind nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich scheint mir aber eine Kooperation zwischen einem Freiburger Theater, dem Cargo-Theater, mit dem Goethe-Institut Peru und Künstler*innen des Teatro Yuyachkani und Elgalpon.espacio in Lima / Peru. Insbesondere wenn ein Stück wie "Hin und zurück - Ida y vuelta" am 8. Dezember gleichzeitig im E-Werk und in Lima zur Aufführung kommt. Bei einer Entfernung von 10.624 km und einem Zeitunterschied von 6 Stunden. Wie kam diese Kooperation zustande und worum geht es bei diesem Stück?

Leon: Zwischen den kooperierenden Gruppen besteht schon seit über 13 Jahren eine kollegiale Freundschaft. 2019 haben wir es dann das erste Mal gewagt, ein gemeinsames Stück zu entwickeln. „Intercambios“ wurde damals sowohl in Peru als auch in Deutschland gezeigt. In dem Stück ging es um das Thema Artensterben und Klimawandel und wie die beiden Länder durch dieses Thema miteinander verbunden sind. Beim Entstehungsprozess selbst stießen wir jedoch auch immer wieder auf den Widerspruch, einerseits ein Stück über das Thema Klimawandel zu entwickeln und gleichzeitig dafür zwischen Peru und Deutschland hin und her zu fliegen – und somit selbst zum Teil des Problems zu werden. Ein echtes Dilemma, denn eine so große Menschheitsaufgabe kann nur durch internationale Antworten und durch transkontinentalen Austausch gelöst werden. Die Frage, ob wir als Künstler*innen das Recht haben, für ein Theaterstück, das auf eben diese Thematik aufmerksam machen will, um die Welt zu reisen, haben wir bis heute noch nicht abschließend für uns selbst geklärt. Sie ist Ausgangspunkt für unser neues Stück "Hin und zurück - Ida y vuelta". Hierbei haben wir uns entschieden, dass wir unser Publikum am Dialog teilhaben lassen wollen, der durch diese Koproduktion möglich wird. Und so haben unsere Besucher*innen die Möglichkeit am Abend – oder in Lima am Mittag – ins Theater zu gehen und dort Menschen zu treffen, denen sie unter anderen Umständen niemals begegnet wären. Die Fragen, die im Stück verhandelt werden, sind etwa: Welche Formen des Reisens gibt es? Wer hat die Möglichkeiten zu reisen? Wer nicht? Und wie können wir auch zukünftig weiterhin international im Austausch bleiben, ohne dabei den Globus zu zerstören?

Ernesto: Wie müssen wir uns die Interaktion zwischen Euch, Carla und Leon Wierer, und den peruanischen Schauspielern Jorge Baldeon und Milagros Felipe vorstellen?

Leon: Wir vier Performer*innen auf der Bühne sind bei diesem Theaterprojekt sozusagen die „Möglichmacher“ und Assistenten der Reise, die das Publikum unternimmt. Als Reisebegleiter versuchen wir, die Zeit so angenehm wie möglich zu machen, bereiten jedoch auch auf unerwartete Turbulenzen vor, die auf dem weiten Weg zwischen Peru und Deutschland auftreten können. Wir sind mehr Moderator*innen als Schauspieler*innen. Während des Stücks treten wir vier immer wieder miteinander in Kontakt, um herauszufinden, wo sich die andere Gruppe gerade befindet: Noch in Lima? Oder schon über dem Atlantik? Die Technik, die unsere Kommunikation manchmal vor Herausforderungen stellt, machen wir dem Publikum gegenüber transparent.

Ernesto: Ein Stück für vier Schauspieler*innen und Publikum? Wie bezieht Ihr das Publikum beider Länder ein?

Leon: Das Publikum ist bei dieser Arbeit von zentraler Bedeutung. Unser Ziel ist es, zwischen beiden Publikumsgruppen eine Verbindung aufzubauen. Dabei führen wir Umfragen durch („Wer in beiden Publikumsgruppen ist dieses Jahr schon einmal länger verreist?“) oder geben die Möglichkeit, sich gegenseitig Fragen zu stellen. Diese werden dann von uns so gut wie möglich übersetzt. Zur Not mit Händen und Füßen.

Ernesto: Wie muss ich Ida y vuelta übersetzen? Das spanische Substantiv ida kann auch mit Spur, Fährte und Unbesonnenheit übersetzt werden. Das Adjektiv ido / ida mit verrückt, verdreht. Handelt Euer Stück von Spurensuche oder sogar von Unbesonnenheit und Verrücktheit?

Leon: Ja, unser Stück ist tatsächlich eine Spurensuche. Wir begeben uns z.B. auf die Spur bekannter und weniger bekannter Reisender aus den zurückliegenden Jahrhunderten. Jeder von uns hat schon mal den Namen Christoph Kolumbus gehört. Aber wer war eigentlich die erste lateinamerikanische Person, die nach Europa reiste? Wer war die erste peruanische Person in Deutschland? Das wissen wahrscheinlich die wenigsten und das sagt auch viel darüber aus, aus welcher Perspektive Geschichte geschrieben wird.

Ernesto: Eure Zusammenarbeit mit peruanischen Künstler*innen hat eine lange Tradition. Ich denke an die Theaterperformance „Intercambios“ oder an das von Euch als „Labor“ bezeichnete „Performing Symbiosis“. Dazu vielleicht noch ein paar Worte?

Leon: Wir sind sehr froh, dass wir die erste Zusammenarbeit „Intercambios“ gemeinsam gewagt haben. Das Stück hatte es nach seiner Premiere im Dezember 2019 am Teatro Yuyachkani in Lima zunächst nicht leicht. Einige Tage bevor es im Frühjahr 2020 in Freiburg aufgeführt werden sollte, kam der erste Corona- Lockdown. Das Bühnenbild war schon aufgebaut und die Kollegen aus Peru in Deutschland. Wir haben die Freiburger Premiere mehrmals verschoben und dachten schon, wir können das Stück niemals in Deutschland zeigen. Dann kamen 2022 Festivaleinladungen aus Stuttgart und Dortmund und im Februar 2023 konnten wir es dann schließlich auch in Freiburg zeigen. Wir haben sehr viel positive Rückmeldung aus dem Publikum bekommen, was uns dann schließlich auch davon überzeugt hat, das zweite gemeinsame Projekt "Hin und zurück - Ida y vuelta“ zu realisieren.

Ernesto: Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis Eurer Arbeit, wünsche Dir und allen Akteur*innen viel Erfolg und bedanke mich für das Gespräch.

Aufführungstermine im E-Werk Freiburg: 08.12.2023 (Premiere), 09.12.2023, 10.12.2023, 15.12.2023, 16.12.2023 und 17.12.2023.

Probenvideo und Website des Cargo-Theaters.

Über den Autor

Ernst R. Hartmann

Ernst R. Hartmann

Ernst R. Hartmann, geboren 1950 am linken Niederrhein. Versteht „links“ nicht nur geographisch. Nach Abitur, kaufmännischer Lehre und Ersatzdienst in einem Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt Studium der Mathematik und der Wirtschaftswissenschaften in Aachen und Freiburg i. Br. Arbeitete lange Jahre als Consultant in Einrichtungen des Gesundheitswesens und als Dozent vorwiegend in der Weiterbildung von Pflegekräften.

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