22. Mai 2013

Im Porträt: Stoll versorgt Textilproduzenten in Peru

Themen Textil

Die Textilherstellung in Peru zählt zu den exportstarken Branchen, und zwar für den Weltmarkt. Marken wie Hess-Natur, Peruvian Connection und Ragman lassen ihre Waren in dem Andenland fertigen – mit Maschinen, die wiederum im Ausland produziert werden. Der Strickmaschinenfabrikant Stoll aus Baden-Württemberg ist einer der Zulieferer.

Das Reutlinger Traditionsunternehmen hat bereits vor Jahrzehnten damit begonnen, seine Strickmaschinen auch nach Peru zu verkaufen. Lokaler Repräsentant ist seit einigen Jahren Layret Peru, eine Tochtergesellschaft der spanischen Vertretung von Stoll. Das Partnerunternehmen unterhält in Lima ein Verkaufsbüro mit Showroom und einem Lager, um Textilfirmen sofort beliefern zu können. Zudem übernimmt Layret Schulungen bei Kunden und in Berufsschulen, die Bereitstellung von Ersatzteilen, den technischen Service und die Teilnahme an Messen wie der Expotextil. In erster Linie verkauft Stoll Neumaschinen, daneben aber auch generalüberholte Gebrauchtmaschinen. Letztere sollen kleineren Kunden den Umstieg von mechanischen Maschinen auf elektronische Flachstrickmaschinen erleichtern.

Kundenbetreuung auf mehreren Wegen

Die wichtigsten Märkte innerhalb des Landes sind die Großstädte Lima und Arequipa sowie Juliaca und Huancayo. Zu den Kunden zählen Corceli S.A.C., Dora Conroy S.R.L. Texturas y Acabados S.A.C., Classic Alpaca, Lenny Kids S.A.C., MFH Knits S.A.C. und Venator S.A.C. „Die Kunden werden regelmäßig von Layret-Mitarbeitern aus Peru und Spanien, und auch von mir persönlich besucht“, sagt Frank Jellinek, zuständiger Sales-Manager bei Stoll in Reutlingen. Außerdem bietet Stoll einen Telefonservice, sendet regelmäßig spanisch sprechende Techniker von Deutschland nach Peru und führt Schulungen in Deutschland und Spanien durch. Gelegentlich werden peruanische Kunden auch vom „Stoll Fashion Center“ in New York betreut.

Finanzierung über eigene Tochter

Die Beziehung zu lokalen Textilproduzenten hat noch eine weitere Ebene: Die Reutlinger finanzieren manche ihrer peruanischen Kunden direkt über die Tochter Stoll Financial Services. „Wir arbeiten dabei mit einer Anwaltskanzlei vor Ort zusammen und haben sehr gute Erfahrungen gesammelt“, berichtet Jellinek. Eine Eigentumssicherung sei durchsetzbar, betont er. In den letzten Jahren habe man keine nennenswerte Forderungsausfälle erlebt. Des Weiteren arbeitet die Vertretung in Peru mit lokalen Banken wie der Scotia zusammen, welche bereit sind, die Maschinen vor Ort zu finanzieren. „Im Gegensatz zu Stoll Financial Services sind die Kredite dann in einheimischer Währung, was das Wechselkursrisiko für die Kunden mindert“, wie Jellinek erklärt. Insgesamt werde es zusehends einfacher, kleinere Unternehmen zu finanzieren, die früher informal arbeiteten. Zur dieser Gruppe gehören Kleinstbetriebe von Indigenas im Hochland. Immer mehr von ihnen sind mittlerweile registriert, führen Buch und haben eine ordentliche Bankverbindung. Dadurch erhalten sie Zugang zu Krediten.

Innerhalb Lateinamerikas ist Peru nach den Worten von Jellinek ein wichtiger Absatzmarkt. Das Land produziert hochwertige Garne und Baumwollsorten wie Pima und Tanguis sowie Alpaca-Wolle – ein Alleinstellungsmerkmal. „Im Bereich dieser Naturfasern sind unsere Kunden im Gegensatz zu anderen lateinamerikanischen Ländern sehr exportorientiert“, erläutert Jellinek. Viele von ihnen produzieren für den US-Markt, Europa, Japan und Lateinamerika, etwa für Textilfirmen wie Hess-Natur, Peruvian Connection und Ragman.

Gut 200 Maschinen in zehn Jahren

In den letzten zehn Jahren hat Stoll über 200 Maschinen nach Peru geliefert, bei Stückpreisen von 35.000 bis 100.000 Euro. In jüngster Vergangenheit sei der Absatz moderat gestiegen, so Jellinek. „Wir sehen aber noch mehr Potential, denn das Land verfügt über gut ausgebildete Textiltechniker, über Designer, über gutes Garn und nicht zuletzt über moderate Löhne.“ Hinzu komme das Freihandelsabkommen mit den USA und mit der EU. Zwar lassen weltweit gesehen Textilunternehmen vor allem in der Türkei und in Asien fertigen; gleichwohl steigen dort die Arbeitskosten – kurz gesagt: China ist nicht mehr billig –, sodass andere Standorte interessanter werden. In Bereich Rundstrick ist Peru nach Angaben von Jellinek mittlerweile sehr stark, beim Flachstrick haben viele Unternehmer allerdings einen noch zu kleinen Maschinenpark, um größere Mengen zu produzieren. „Wir hatten jedoch schon Anfragen großer Textilfirmen, welche Informationen über Produzenten in Peru suchten“, weiß Jellinek.

"Investments sind sicher"

Der Reutlinger Sales-Manager zählt weitere Gründe für seine Wachstumserwartungen auf: Die wirtschaftliche Entwicklung in Peru sei unternehmerfreundlich, es gebe weniger Barrieren als in anderen Staaten. Anders als vor 10-15 Jahren sei es ein stabiles Land in Aufbruchsstimmung. Investments seien sicher, etwa im Gegensatz zu Bolivien, wo erst kürzlich ein großes Textilunternehmen quasi verstaatlicht wurde. Und schließlich: „Perus Bildungspolitik ist exzellent in Bezug auf die Schulung von jungen Menschen.“ Jellinek denkt dabei etwa an die Berufsschuleinrichtung Senati. Die Regierung sei sich bewusst, dass man sich nicht nur auf Bergbau, Landwirtschaft und Fischfang konzentrieren kann. Überhaupt hat die Textilindustrie auch eine gesellschaftliche Bedeutung: Sie bietet sichere Arbeitsplätze, insbesondere für Frauen, und ermöglicht manchen von ihnen den sozialen Aufstieg.

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.