27. März 2015
Zukunftsthemen und Erinnerungspolitik: Gaucks Besuch in Peru
Während seiner viertägigen Visite in Peru setzte der Bundespräsident mehrere Akzente. Neben Kooperationen in Bildung und Umweltschutz regte er einen Austausch über die Bewältigung der jüngeren Geschichte an. Begeisterung für die Kultur- und Naturschönheiten des Landes zeigte er bei der Besichtigung von Cusco und Machu Picchu.
Der Staatsbesuch von Bundespräsident Joachim Gauck und seiner Frau Daniela Schadt hatte am vergangenen Freitag mit militärischen Ehren vor dem Präsidentenpalast in Lima begonnen. Es standen politisch-wirtschaftliche Gesprächen an, in denen es um eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Peru auf verschiedenen Feldern ging: Akademischer Austausch und duale Berufsausbildung, Klima- und Umweltschutz, Bekämpfung des Drogenhandels und Schutz des Regenwaldes vor illegalen Abholzungen. "Wir bauen unsere Entwicklung auf Frieden, makroökonomische Stabilität, Sozialpolitik, sichere, dauerhafte Bildung und wollen neue Wege zur Industrialisierung und Stärkung kleiner Unternehmen einschlagen. Hier gibt es eine große Erfahrung, die beide Länder teilen können", sagte Perus Präsident Ollanta Humala im Beisein der deutschen Gäste. Unterstrichen wurde dies durch die offizielle Entsendung der ersten peruanischen Stipendiaten für ein Postgraduiertenprogramm in Deutschland und die Einweihung des Senati-Ausbildungszentrums für Umwelttechniker, das Peru, Deutschland und Brasilien in Lima geschaffen haben.
Neben diesen Themen rückte an den beiden Folgetagen die jüngere Geschichte des Landes – der Kampf zwischen linker Guerilla und Militär in den 1980er und 90er Jahren – in den Mittelpunkt. Gauck besuchte das Museum "Lugar de la Memoria", zu dessen Errichtung die frühere deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul 2008 den finanziellen Anstoß gegeben hatte, und ließ sich durch eine behelfsmäßige Ausstellung führen. Obwohl das Gebäude an der Steilküste in Lima-Miraflores seit Mitte letzten Jahres bezugsfertig ist, existiert die dort geplante dauerhafte Dokumentation des Bürgerkrieges noch nicht. Es gibt Widerstände in Perus Gesellschaft und seinen politischen Eliten gegen die Erinnerungsstätte, weil man sich uneins ist in der Frage nach der Schuld in dem Konflikt, in dessen Verlauf nicht nur die Terrororganisation "Sendero Luminso", sondern auch die Armee zehntausende Zivilisten ermordete. Bis Ende des Jahres, so heißt es offiziell, soll die Dauerausstellung aber eingerichtet sein.
Das deutsche Staatsoberhaupt wurde bei diesem Termin vom Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa begleitet, welcher sich für die Gründung des Museums eingesetzt hatte, und von Perus Außenminister Gonzalo Gutiérrez. Dass Präsident Humala, ein ehemaliger Armeeoffizier, nicht dabei war, werteten manche Kommentatoren als ein Zeichen der Distanz; gleichwohl hatte auch er sich in seiner Begrüßungsrede am Vortag zu dem Projekt bekannt. Gauck hatte da schon mit ihm über Möglichkeiten, die leidvolle Vergangenheit zu bewältigen, gesprochen. Welchen Weg er sieht, führte der Bundespräsident in seiner Rede im Museum aus, indem er die deutsche Aufarbeitung des DDR-Unrechts und der Nazi-Verbrechen nachzeichnete. "Opfer werden gütig, wenn die Täter nicht vor der Wahrheit flüchten", sagte er und ermunterte seine peruanischen Zuhörer dazu, bei der Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg die Schuld des eigenen Lagers anzuerkennen, statt von den Sünden der anderen zu reden. Deutschland habe die Erfahrung gemacht, dass ein solches Eingeständnis die Nation nicht schwäche, sondern stärke. Er wünsche sich einen weiteren Austausch zwischen Peru und Deutschland in diesen Fragen, so Gauck: "Lassen Sie uns gemeinsam diskutieren, wie sich diese Dialogprozesse, die dann in einer Gesellschaft entstehen müssen, intensivieren lassen."
Am schlimmsten hatte der Bürgerkrieg in der südperuanischen Hochlandregion Ayacucho gewütet. Dorthin begab sich Gauck am Sonntag, dem dritten Tag seiner Visite, unter anderem um sich mit dem Nationalen Verband der Familien Entführter, Gefangener und Verschwundener (Anfasep) zu treffen. Dieser hat in der Stadt ein kleines Museum aufgebaut, in welchem Fotos von exhumierten Leichen, Kleidungsstücke von Verschwundenen und eine rekonstruierte Folterkammer des Militärs zu sehen sind. Anschließend stattete das deutsche Staatsoberhaupt der von "Brot für die Welt" unterstützten Vorschule "Simon Bolivar", auf der Kinder Spanisch und die indigene Sprache Quechua lernen, einen Besuch ab.
D-Radio: Begegnung mit Opferverband in Ayacucho
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2015/03/23/dlf_20150323_0749_4f9f8121.mp3
Dann folgte die letzte Etappe des Perubesuchs. Der Präsident und seine Lebensgefährtin fuhren ins Herzland des ehemaligen Inka-Reichs: nach Cusco, Ollantaytambo und zur Ruinenstadt Machu Picchu. In diesem Arkadien zeigte sich der Mensch Gauck fast ausgelassen. Nicht nur die Bauwerke, sondern auch ein auf den Bergterrassen grasendes Lama entzückten ihn. "Nach dem Besuch dieses wunderbaren Ortes sind wir voller Glück, Freude und Dankbarkeit", schrieb er ins Gästebuch.
Für den nächsten Morgen war der Rückflug des Präsidenten nach Lima und die Fortsetzung der Südamerikareise nach Uruguay geplant. Doch die Nachricht, dass ein deutsches Passagierflugzeug in den Alpen abgestürzt ist, zwingt ihn zur sofortigen Rückreise nach Berlin.