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20. April 2021

Wahlen in Peru: Grundschullehrer Pedro Castillo und Präsidententochter Keiko Fujimori sind in der Endrunde

Von Gerardo Basurco, Nora Basurco - Freie Mitarbeiterin, Themen Wahlen | Peruanische Innenpolitik | Nachrichten zur Politik Perus | Newsletter - 2021 - 04 April

Analyse - Optionen - Perspektiven

Veröffentlicht in Sendung Cuarto Poder am 18.04.2021

Erneut macht ein Außenseiter bei den Präsidentschaftswahlen in Peru von sich reden. Bei den Präsidentschaftswahlen vom 11. April 2021 siegte überraschenderweise der Grundschullehrer Pedro Castillo aus dem Bezirk Tacabamba im nördlichen Departement von Cajamarca, der für die linke Partei "Perú Libre" kandidiert. Zweite wurde die Tochter des Ex-Präsidenten Keiko Fujimori, die für die Partei Volkskraft ins Rennen ging. Castillo konnte 19 % der gültigen Stimmen auf sich vereinigen, während Keiko auf 13,4% der Stimmen kam. Da kein Kandidat die notwendige absolute Mehrheit erringen konnte, wird erst in der Stichwahl vom 6. Juni die Entscheidung über den nächsten Präsidenten des Landes fallen.

Castillo liegt laut neuesten Umfragen für die am 6. Juni vorgesehene Stichwahl vorne.

Vorgeschichte der Wahlen

Der Wahlkampf war wegen der Corona-Pandemie mehr als ungewöhnlich. Seit Anfang der Pandemie hat sowohl die Zahl der Neuinfizierten als auch die der Toten neue Höchststände erreicht (am 14. April waren es 13 326 Neuinfizierte und 384 Tote). Der Sieben-Tage-Inzidenzwert des Landes liegt bei 197,5 und der Reproduktionsfaktor bei über 1. Die für die Behandlung der schwererkrankten COVID-19-Patienten verfügbaren Krankenhausbetten sind voll besetzt und die Sauerstoffvorräte sehr knapp. Ferner haben die Maßnahmen gegen die Pandemie 3 Mio. Arbeitslose hinterlassen und fast 8 Mio. Peruaner wieder in Armut zurückgeführt (Siehe: COVID-Öffnung der Wirtschaft). Der Impfprozess schreitet langsam voran und bislang sind nur 2% der Bevölkerung mit 2 Dosen geimpft (537 000 Personen) und 177 000 Personen haben die erste Dosis erhalten.

Bis sechs Wochen vor dem Wahltermin waren die Peruaner mehr mit COVID-19 als mit der Wahl selbst beschäftigt. Die Wahlkampagnen wurden weitgehend über Massen- und Sozialmedien ausgetragen. Ein paar Wochen vor dem Wahltermin war der Kandidat von "Perú Libre" und Sieger der Wahl Pedro Castillo ein Unbekannter im Land. In der Woche vor den Wahlen kam es zu einem exponentiellen Anstieg der Wähler für den Außenseiter.

Wahlanalyse

Besonderheiten

Die Wahlbeteiligung - gemessen an vergangenen Wahlen - war niedrig. Von den Wahl2021 Peru niedrigste Anteil Stichwahl-Kandidaten an Wahlberechtigten24,5 Mio. Wahlberechtigten sind ca. 30% nicht zu den Wahlurnen gegangen. Von den abgegebenen Stimmen waren mehr als 3 Mio. leere oder ungültige Stimmen (12,7%). Das bedeutet, dass weniger als 60% der Wahlberechtigten ihre Stimme für einen Kandidaten abgegeben haben.

Außerdem erreichen die Stimmen der Anwärter auf die Stichwahl, zum ersten Mal in der peruanischen Geschichte, weniger als 20% der Wahlberechtigten. Sogar gelang es einem der Kandidaten mit einem Anteil von 7,7% der Stimmen in eine Stichwahl einzuziehen (13% der gültigen Stimmen) und womöglich das Präsidentenamt zu bekleiden.

Ferner ist ein Verfahren gegen die Präsidentschaftsanwärterin Keiko Fujimori anhängig; die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen sie wegen Geldwäsche, Korruption und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation, wobei bei positivem Ausgang bis zu 30 Jahre Gefängnis zukommen können. Zugleich sitzt der Gründer und Generalsekretär von „Perú Libre“ Vladimir Cerrón (Ex-Präsident der Region Junin) wegen Korruption eine Freiheitsstrafe in Hausarrest auf Bewährung ab.

Gewinner und Verlierer

Die großen Gewinner dieser Wahlen sind „Perú Libre“ mit Pedro Castillo (19%) und die Volkskraft mit Keiko Fujimori (13,4%). Danach folgen die Parteien „Populäre Erneuerung“ (11,71) und „Avanza Perú“ (11,61), die bekannte Persönlichkeiten wie López de Aliaga und Hernando de Soto als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt haben.

Eindeutige Verlierer sind die Volksaktion (9,1%), „Victoria Nacional“ (5,6%), „Juntos por el Perú“ (7,8%) und „Partido Morado“ (2,3%). Die ersten beiden lagen lange Zeit vor dem Wahltermin vorne, konnten aber ihre Position während der heißen Phase des Wahlkampfes nicht behaupten. Die Präsidentschaftskandidatin der linken Partei „Juntos por el Perú“ Verónika Mendoza hatte sich in den Debatten sehr gut geschlagen, hat sich aber zu sehr um die Wählerschaft der Hauptstadt Lima bemüht und ihre Bastion in der südlichen Sierra vernachlässigt und dadurch bedeutende Wähleranteile an „Perú Libre“ und die Volksaktion verloren. „Partido Morado“ seinerseits wird für die Unzufriedenheit mit der Politik des jetzigen Übergangspräsidenten Sagasti bestraft, dem er angehört.

Die Ergebnisse der Kongresswahlen weichen deutlich von den Ergebnissen der – bisher in diesem Artikel behandelten – Präsidentschaftswahlen ab. Die Zusammensetzung des Kongresses sieht momentan wie folgt aus:

Von den 130 Sitzen im Kongress wird „Perú Libre“ 37, die Volkskraft von Keiko Fujimori 24, die Volksaktion 17, die Allianz für den Fortschritt 15, „Populäre Erneuerung“ 13, „Avanza País“ 7, „Juntos por el Perú“ 5, „Podemos Perú“ 5, „Somos Perú“ 4 und „Partido Morado“ 3 Sitze erhalten. Es ist anzunehmen, dass ein Block der rechten Parteien Volkskraft, „Populäre Erneuerung“, „Avanza País“ und die Allianz für den Fortschritt mit 59 Sitzen geschmiedet wird, dem stünde ein Mitte-Links Block bestehend aus „Perú Libre“, „Juntos por el Perú“, „Podemos Perú“ und „Somos Perú“ mit 51 Sitzen gegenüber. Zünglein an der Waage für die Bildung von Mehrheiten blieben die Volksaktion und „Partido Morado“.

Zusammensetzung des Kongresses

Regionale Verteilung der Stimmen

Wahl2021 Peru Regionale Verteilung der abgegebenen Stimmen IPSOSEine Analyse der regionalen Verteilung der Stimmen lässt eine regionale Spaltung des Landes erkennen: im Bergland und den südlichen Departements ist "Perú Libre" die stärkste Partei (sechzehn Regionen insgesamt), in den nördlichen Küsten-Departements, Urwald sowie Lima-Provinzen, Callao und Ica ist die Volkskraft stärker (sieben Regionen), die Allianz für den Fortschritt gewinnt im nördlichen La Libertad und "Populäre Erneuerung" in der Hauptstadt Lima.

Wahl2021 Abstimmung in der Hauptsadt Lima In der Hauptstadt Lima mit ca. 5,5 Mio. gültigen Stimmen (mehr als 1/3 der Stimmen des ganzen Landes) haben die Wähler der wohlhabenden Viertel mehrheitlich für "Avanza Perú" abgestimmt (Küstenbezirke, La Molina. San Isidro, Miraflores), wohingegen die Wähler der armen und bevölkerungsreichsten Viertel für die Volkskraft und "Populäre Erneuerung" (San Juan de Lurigancho, Villa El Salvador, Villa María del Triunfo) und nur die Wähler von Lurigancho und Pachacamac mehrheitlich für "Perú Libre" gestimmt haben.

Diese Polarisierung zwischen eher linkem Votum in den Provinzen und im Bergland und eher rechtem Votum in der Hauptstadt Lima, weist auf eine unterschiedliche Entwicklung und Konzentration des Reichtums und Dienstleistungen zugunsten Limas hin. 

Aussichten

Als nächstes steht die Stichwahl bevor, die am 6. Juni abgehalten wird. Hierfür stehen zwei antagonistische Positionen zur Auswahl, die zum einen zu einer starken Polarisierung führen und zum anderen nicht der Mehrheit der Wähler entsprechen. Die von beiden Präsidentschaftsanwärtern zusammengenommenen Stimmen entsprechen ca. 18% der Wahlberechtigten, es handelt sich also um ein Minderheitsvotum. Dies bildet für den gewählten Präsidenten eine schwache Legitimitätsbasis. Auf der anderen Seite vertritt die Partei der extremen Linken "Perú Libre" eine überholte an Fidel Castro und Mao ausgerichtete Ideologie und hat sich bisher unnachgiebig und nicht dialogbereit gezeigt (Siehe: andiner Populismus).

Auf der anderen Seite präsentiert sich die Tochter des Ex-Diktators Alberto Fujimori, Keiko Fujimori, als Retterin der Demokratie, der Wirtschaft und der Freiheit, obwohl sie derzeit wegen Korruption, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation angeklagt wird. Sie ist auch diejenige, die durch eine Obstruktionspolitik die Regierung von Kuczynski zu Fall brachte und das Misstrauensvotum gegen Vizcarra stellte. Darüber hinaus hat sie im Zuge dessen die Arbeit der Staatsanwaltschaft behindert und Richter beeinflusst. Ihre demokratische Gesinnung lässt also zu wünschen übrig.

Der Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa hat sich am 17. April zu Wort gemeldet und die peruanische Bevölkerung aufgefordert für das kleinere Übel zu stimmen, sprich für Keiko Fujimori. Das renommierte Forschungsinstitut IPSOS hat am Sonntag (den 18. April) die Ergebnisse einer Umfrage zu der Stichwahl veröffentlicht. Demnach würden bei der Stichwahl 42% für Castillo und 31% für Keiko abstimmen. 16% würden leere oder ungültige Stimmen abgeben und 11% sind noch unentschieden. Ferner würde Keiko in der Hauptstadt und in den wohlhabenden Gruppen A, B und C der Bevölkerung und Castillo in den Provinzen und ärmeren Gruppen D und E am meisten Stimmen holen. Außerdem würden 50% der Befragten auf keinem Fall für Keiko und 33% auf keinem Fall für Castillo abstimmen.

Keine von diesen Optionen scheint eine erfolgsversprechende für das Land zu sein. Der Journalist von IDL Reporteros Gustavo Gorriti meint eine dritte Option zu erkennen, die auch bei der Wahl 2011 Früchte trug:

Bevor die Stimme für einen Kandidaten eingelöst werden, sollte ein verbrieftes Versprechen der Kandidaten abgegeben werden "über die Garantien, Maßnahmen und Zusicherungen zur Erhaltung und Stärkung des demokratischen Systems [...] Eindeutige Positionen zu politischen Freiheiten, Menschenrechten, Achtung von Minderheiten, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Organisationsfreiheit, Gewaltenteilung, Autonomie der Zentralbank Perus und anderer Institutionen, die für die effiziente Regulierung des Staates unerlässlich sind, Achtung der Meritokratie [Leistungsorientierung] bei Beförderungen in den Sicherheitskräften. Stärkung oder zumindest keine Beeinträchtigung der Korruptionsbekämpfung. Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten auf internationaler Ebene."

Gustavo Gorriti führt weiter aus: "Es muss einen kontinuierlichen und systematischen Druck für eindeutige Antworten geben, sowie grundlegende Vereinbarungen innerhalb der demokratischen Sektoren, von links bis rechts. Und auch grundsätzliche Übereinkünfte innerhalb der demokratischen Sektoren, von der Linken bis zur Rechten. Würden wir eine mafiöse, unehrliche, räuberische und rachsüchtige Regierung auf der Rechten akzeptieren, auch wenn sie ihren Freunden wirtschaftliche Freiheiten verspricht? Würden wir eine Regierung tolerieren, die, sich selbst als links bezeichnet, Maduro und Ortega nachahmt, Grundfreiheiten beschneidet und sich an der Macht verewigen will? Wenn die Antwort auf beide Fragen ein eindeutiges Nein ist, und zwar von jedem pro-demokratischen Sektor, dann werden die demokratischen Kräfte die letzte Entscheidungsgewalt haben." (Siehe: No regalar el voto, Gustavo Gorriti, IDL Reporteros, 19.04.2021)

Bei den Wahlen 2011, erzwang die Zivilgesellschaft Ollanta Humala zur Änderung seines ursprünglichen radikalen Regierungsprogramms zur sogenannten mehrheitsfähigen "Hoja de Ruta", zu der er sich verpflichtete und an die er sich auch während seiner ganzen Regierungszeit hielt. (Siehe: Hoja de Ruta, Gana Peru 2011)

Unabhängig von den Ergebnissen der Präsidentschaftswahlen ist die Zusammensetzung des aus 130 Mitgliedern bestehenden Parlaments für die Regierbarkeit des Landes von größter Bedeutung. Peru wird über einen fraktionierten Kongress verfügen in dem 10 Parteien vertreten sein werden. Da sich dort keine eindeutige Mehrheit abzeichnet wird die Bildung von Allianzen dringender denn je und somit notwendig werden. Die letzten 5 Jahre haben den Peruanern gezeigt, wohin eine Konfrontation von Exekutive und Legislative führen können, wie schnell und einfach ein Präsident seines Amtes enthoben oder ein Kongress aufgelöst werden kann. (Siehe:Aktuelle Entwicklungen, LiPortal Peru)

Die nächsten 7 Wochen bis zur Stichwahl werden zu einem heftigen Kampf zwischen linkem und rechtem Lager führen. Wie bereits zur Jahreswende 2018/19 gelang es der Zivilgesellschaft Einfluss auf die Politik zu nehmen, in dem sie für die Staatsanwälte Rafael Vela und José Domingo Pérez auf die Straßen gingen, gleiches gelang im November 2020 gegen den Usurpator Manuel Merino. Hoffentlich waltet bei der Stichwahl Besonnenheit und die Bereitschaft unter den Politikern auf die Zivilgesellschaft zu hören und auf ihre Forderungen einzugehen.

Über den Autor

Gerardo Basurco

Gerardo Basurco

Er betätigt sich als Berater und Projektleiter in der Privatwirtschaft und ist Dozent in Entwicklungspolitik und Landeskunde Lateinamerikas für die AIZ/GIZ. Zudem verfügt er über langjährige Erfahrung in der Kooperation zwischen Deutschland und Lateinamerika.
Bei Peru-Vision ist er zuständig für den Bereich Wirtschaft und Politik sowie Consulting.

Nora Basurco - Freie Mitarbeiterin

Nora Basurco absolvierte nach dem Abitur ein Praktikum als Assistant Teacher von Deutsch und Englisch an der deutschen Schule Max Uhle in Arequipa. Nach dem Studium von European Studies und Informatik ist Nora Basurco als freie Mitarbeiterin für Peru-Vision tätig.

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