03. Mai 2015

Peru vor der Präsidentenwahl: Welche Personen und Programme gehen ins Rennen?

Von Diana Palomino - Freie Mitarbeiterin, Themen Peruanische Innenpolitik | Nachrichten zur Politik Perus

Im Frühjahr 2016 wird das neue Staatsoberhaupt in Peru bestimmt. Es zeichnet sich ein Wettkampf zwischen mindestens vier Kandidaten ab, die die Bürger mit Ideen zur Stärkung der Wirtschaft und Einkommen, Schaffung sicherer Arbeitsplätze und Verbrechensbekämpfung überzeugen müssen.

In Peru steht in zwölf Monaten ein politischer Stabwechsel an. Die Präsidentschaft von Ollanta Humala endet nach fünf Jahren, und wie es die Verfassung vorschreibt, muss er das Amt einem anderen überlassen. Unter den aussichtsreichen Kandidaten befinden sich jene, die schon im Jahr 2011 bei den Wahlen relativ weit vorne lagen: Keiko Fujimori, Pedro Pablo Kuczynski und Alejandro Toledo. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts Ipsos hat Fujimori, die Tochter des ehemaligen peruanischen Staatsoberhauptes in der 1990er Jahren, die höchsten Zustimmungswerte (32%). Mit Abstand folgen der Wirtschaftsexperte Kuczynski (14%), Alan Garcia (11 %), der schon zweimal – in den 1980er und den 2000er Jahren – die Präsidentschaft innehatte, sowie Toledo (7 %), ebenfalls ein ehemaliger Präsident. Wie es zunächst aussieht, haben also altbekannte Figuren am meisten Chancen auf das höchste Regierungsamt.

Dies war auch bei früheren Wahlgängen so und mag unter anderem damit zusammenhängen, dass in Peru Wahlpflicht herrscht. Entsprechend hoch ist der Anteil politisch desinteressierter Wähler (welche sonst der Wahl fernbleiben würden), die ihr Kreuz bei dem Namen machen, der ihnen am ehesten etwas sagt. Laut einer Umfrage des Instituts GFK wollen sich drei Viertel der peruanischen Wähler überhaupt nicht über die Präsidentschaftskandidaten informieren.

Wirtschaft, Sicherheit und Korruption

Dennoch spielen Sachfragen natürlich auch eine Rolle. Die zur Zeit wichtigsten politischen Themen für die Bevölkerung sind die Wirtschaftsentwicklung, öffentliche Sicherheit und Korruptionsbekämpfung.

Auch wenn der Durchschnittslohn von 668 Soles im Jahr 2004 auf 1.176 Soles im Jahr 2013 gestiegen ist und die durchschnittliche Inflation nach Angaben der Zentralbank in den letzten zehn Jahren nur 2,3 Prozent pro Jahr betrug, gaben im April 2015 bei einer Ipsos-Umfrage 63 % der Peruaner an, dass ihr Einkommen nicht zur Deckung ihrer Bedürfnisse ausreicht. Zudem glauben 73 % nicht, dass die peruanische Wirtschaft in den nächsten zwölf Monaten wachsen wird. Vielen ist bewusst, dass die Rohstoffpreise für wichtige Exportgüter des Landes, wie Kupfer, Blei und Kakao stark gesunken sind, und sich das allgemeine Wirtschaftswachstum abgeschwächt hat.

Hinzu kommt, dass nicht alle Peruaner gleichermaßen vom Wirtschaftswachstum profitieren, und sich nur wenige einer sicheren Stelle erfreuen. Während die Arbeitslosigkeit in urbanen Regionen stetig zurückgegangen ist, verzeichnen die ländlichen Regionen einen Anstieg. Auch bei der Armutskämpfung klafft eine große Lücke zwischen den Städten, in denen der Anteil der Unterversorgten von 48,2 im Jahr 2004 auf etwa 16,2 im Jahr 2013 sank, und dem Land, wo die Quote im gleichen Zeitraum von 83,4 auf 48,0 fiel. In manchen Regionen wie Paso und Amazonas stieg die Armut sogar zuletzt wieder.

Ungleichheit und informeller Sektor

Die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt liegt vor allem am informellen Sektor (Schattenwirtschaft bzw. Tätigkeiten ohne registrierte Verträge), der laut dem Statistikamt INEI im Jahr 2010 mehr als die Hälfte aller Beschäftigungsverhältnisse ausmachte. Vor diesem Hintergrund plante die Regierung Humala Ende 2014 ein Gesetz („Ley Pulpin“), wonach bei Arbeitnehmern ohne Ausbildung im Alter von 18 bis 24 Jahren Arbeitsbedingungen wie Haushaltszulage und Zusatzversicherung entfallen und Arbeitgeber Steuervergünstigungen erhalten. Damit wollte man die Schwelle beim Übergang von informellen in formelle Jobs senken.

In der jungen Bevölkerung, insbesondere in den Städten, kam dieses Vorhaben schlecht an, weil es als Schlechterstellung empfunden wurde. Die Proteste brachten die Abgeordneten im Parlament dazu, das Gesetz zu Fall zu bringen. Das fiel ihnen schon deswegen nicht schwer, weil das Parteinbündnis, auf das sich Humala stützt, im Kongress seit November 2014 keine Mehrheit mehr hat. Die nächste Regierung wird, wenn sie den informellen Sektor zurückzudrängen will, eine starke Mehrheit im Kongress benötigen.

Nach einer Befragung des IEP-Instituts im Jahr 2012 fühlt sich die peruanische Bevölkerung unsicherer als die der Nachbarländer, auch wenn laut einer Statistik der Vereinten Nationen in Peru die Mordrate (9,6 Morde je 100.000 Einwohner) ist als in den meisten anderen lateinamerikanischen Ländern. Im selben Jahr wurden nach INEI-Angaben fast 80.000 Raubüberfälle registriert, jedoch dürfte die tatsächliche Zahl deutlich höher sein, weil viele solcher Straftaten nicht gemeldet werden. Die Defizite bei der Verbrecherbekämpfung sind noch vor den Korruptionsvorwürfen der Hauptgrund dafür, weshalb die peruanische Bevölkerung den jetzigen Präsidenten Humala missbilligt, wie eine Ipsos-Umfrage vom November 2014 ergibt.

Ein wichtiges Thema im Wahlkampf wird außerdem die Bekämpfung der Korruption sein, welche als hemmender Faktor für die Weiterentwicklung des Landes gesehen wird. Ipsos zufolge nehmen 55 % der peruanischen Bevölkerung den Kongress als die korrupteste Einrichtung wahr, gefolgt von der Polizei (53%) und der Justiz (49%). In diesen Zusammenhang gehört auch die nicht ausreichende Bekämpfung der Drogenmafia, welche in den letzten Jahren grausame und grenzüberschreitende Formen in Lateinamerika angenommen hat und über politische Verbündete verfügt.

Hintergründe und Programme der Kandidaten

Von den eingangs genannten Kandidaten ist bei zweien am ehesten schon jetzt ein Wahlprogramm erkennbar. Hierauf soll im Folgenden eingegangen werden.

Fujimori

Die 39-jährige Keiko Fujimori ist die Tochter des ehemaligen peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori und der früheren Kongressabgeordneten Susana Higuchi. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre in den USA und wurde im Jahr 1994, nach der Scheidung ihrer Eltern, im Alter von nur 19 Jahren zur peruanischen First Lady ernannt.

Ihre Partei Fuerza Popular wurde im Jahr 2010 gegründet und lässt sich dem rechten, konservativen Flügel zuordnen, wohingegen ihre wirtschaftliche Ausrichtung liberal ist. Sie fordert ein härteres und effektiveres Vorgehen gegen Verbrecher, eine vertrauenswürdigere, bessere und höher bezahlte Polizei, eine stärkere Einbeziehung der Gesellschaft bei der Kriminalitäts- und Gewaltaufdeckung und die Einführung der Todesstrafe.

Im Wirtschaftsbereich befürwortet sie die Abschaffung von Hürden, welche Produktivität, Innovationen, Wettbewerb und den Übergang vom informellen zum formellen Sektor behindern. Hierzu sollen unter anderem die Kosten für die Anstellung von Arbeitnehmern sinken, das Steuersystem vereinfacht werden, kleine Unternehmen gefördert und die Infrastruktur ausgebaut werden.

Kuczynski

Pedro Pablo Kuczynski, gerne abgekürzt „PPK“, ist 76 Jahre alt und hat Philosophie, Wirtschaft und Politik an der britischen Oxford-Universität und öffentliche und internationale Angelegenheiten an der Universität in Princeton (USA) studiert. Er ist der Sohn der Einwanderer Maxime Kuczynski, einem deutschen Wissenschaftler der Medizin, und Madeleine Godard, einer französisch-schweizerischen Lehrerin. PKK hat unter anderem bei der Weltbank, bei Toyota und bei dem Stahlunternehmen Compañia de Acero de Pacífico gearbeitet. Er war außerdem während der Regierung Belaúnde Terry Anfang der 1980er Jahre Energieminister und unter dem Präsidenten Alejandro Toledo (2001 bis 2006) Wirtschafts- und Finanzminister sowie Premierminister.

Seine Partei Peru Más (Peru+) wurde im Jahr 2011 gegründet und lässt sich dem liberal-sozialen Lager zuschreiben. Er warb für die Verschmelzung einiger Ministerien mit sehr ähnlichen Ressorts (etwa Ministerien für Infrastruktur und für Wirtschaftsförderung) und befürwortet ebenfalls die Abschaffung des informellen Arbeitssektors. Außerdem proklamiert er eine bessere Sozialabsicherung am Arbeitsplatz, Abbau von Bürokratie, bessere Wasserversorgung, Ausweitung des Zugnetzes, eine bessere Schulausbildung und Jugendförderung und ein an die ärmeren ländlichen Regionen angepasstes Förderprogramm.

In der Sicherheitspolitik befürwortet PPK eine bessere Organisation, Bezahlung, Qualifikation und Ausrüstung von Polizei und Militär und zugleich die Bekämpfung von Korruption im justiziellen Bereich.

Die genannten Punkte gehen aus den in letzten Wahlprogrammen und zum Teil aus Interviews hervor. Die offiziellen Programme dürften Anfang nächsten Jahres bekanntgemacht werden. Obwohl sich beide Kandidaten in ihren wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Konzepten nicht allzu sehr voneinander abheben, so werden sie zumindest aus unterschiedlichen Gründen kritisiert:

Keiko Fujimori ist vor allem in Hinblick zu ihrem Vater bei einem Teil der peruanischen Bevölkerung sehr umstritten. Ex-Präsident Fujimori sitzt derzeit im Gefängnis wegen Korruption und mehreren Menschenrechtsverletzungen, die er während seiner Amtszeit als Präsident begangen hat. Keiko hatte als Kandidatin beim letzten Wahlkampf oft angekündigt, ihren Vater begnadigen zu wollen, und dadurch einige ihrer Wähler verschreckt. Ihr wurde zeitweilig auch Mittäterschaft an den Handlungen ihres Vaters vorgeworfen, und es gibt immer noch den Verdacht, dass ihr Privatstudium in den USA und das ihrer Geschwister vom peruanischen Steuerzahler finanziert worden ist.

Pedro Pablo Kuczynski stand wegen seiner doppelten Staatsangehörigkeit (peruanisch/US-amerikanisch) in der Kritik. Es wurde zuweilen auch behauptet, er hätte die peruanische Nationalität abgegeben, um die amerikanische Staatsangehörigkeit zu bekommen. Auch im Zusammenhang mit Wikileaks wurde der Verdacht gehegt, dass er ein radikaler Verbündeter der Minenunternehmen in Peru sei. Ihm werden gelegentlich außerdem sein hohes Alter und sein europäisches Erscheinungsbild zur Last gelegt.

Garcia und Toledo

Die nach Umfragen weniger aussichtsreicheren Kandidaten Alan Garcia und Alejandro Toledo unterscheidet und vereint biographisch Folgendes: Während Garcia als das jüngste von zwei Kindern bei politisch stark aktiven Eltern heranwuchs, musste sich Toledo als achtes von sechzehn Kindern im frühen Alter am finanziellen Unterhalt der sehr armen indigenen Familie beteiligen. Garcia hat Rechtswissenschaft studiert, Toledo Wirtschaftswissenschaften. Sie haben gemeinsam, dass sie beide über einen längeren Zeitraum im Ausland gelebt haben und beide im Alter von etwa Mitte Fünfzig nach der Fujimori-Ära Präsidenten Perus waren. Garcia war freilich bei seiner ersten Ernennung in den 1980er Jahren erst Mitte 30.

Ihre Parteien verfolgen unterschiedliche Ansätze: Während Garcias Partido Aprista Peruano (Apra) einen sozialdemokratischen Kurs hat und sich dem linken Spektrum zuordnen lässt, steht die Partei Perú Posible von Toledo mehr für einen liberal-demokratischen Kurs und lässt sich dem Zentrum zurechnen.

Ob Fujimori, Kuczynski, Garcia oder Toledo – unbekannt ist wie gesagt keiner dieser Kandidaten. Inwieweit ihnen diese Bekanntschaft am Ende wirklich zum Vorteil gereicht, wird sich am 10. April 2016 zeigen. Denn die Unberechenbarkeit der peruanischen Wähler darf nicht unterschätzt werden. Schließlich verhalfen sie im Jahr 1990 dem bis dato politisch unbekannten Alberto Fujimori zum unerwarteten Sieg. Auszuschließen ist es auch heute nicht, dass ein Außenseiter überraschend zum Präsidenten gewählt wird.

Über den Autor

Diana Palomino - Freie Mitarbeiterin

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