15. Dezember 2014

Der peruanische Kunstmaler Jaime Colán

Themen Kultur, Gesellschaft und Bildung | Peruanische Malerei

Jaime Colán wurde 1956 in Lima geboren. Er studierte dort an der Kunstakademie und arbeitete in den 80er Jahren an der Abteilung für audiovisuelle Medien der Bischöflichen Kommission für Katechese, bevor er 1991 nach Kornwestheim bei Stuttgart zog. Seine Bilder wurden seither auf zahlreichen Ausstellungen in Süddeutschland, aber auch in Belgien und der Schweiz gezeigt. Eine kleine Auswahl präsentieren wir hier zusammen mit Erläuterungen des Künstlers zu seinem Schaffen

  • mohnblumen
  • Wir sind lebendige Geschichte
  • Adamundeva
  • Heiliger Baum
  • JaimeColan
  • Pachamama-Mutter Erde
  • Dierotevioline
  • dueal melodie
  • Kolibri

    In Ihren Werken tauchen zwei Motive wiederholt auf: der Kolibri und der Baum. Was bedeuten diese für Sie?

    Der Baum ist ein Symbol dafür, dass der Mensch in seinem körperlichen wie geistigen Leben mit der Natur verbunden ist. Für mich bedeutet es eine Beziehung von höchster Vitalität, wenn wir im Einklang mit unserer natürlichen Umwelt bleiben. In alten Kulturen, zum Beispiel in der hinduistischen Lehre Bhagavad-Gita, steht der kosmische Baum für das Universum sowie die conditio humana, und in der nordischen Mythologie erscheint die Welt überdacht von einem riesigen Baum. Als Sinnbild für das Aufblühen der Vegetation verdeutlicht der Baum das Leben in all seinen Formen, die Natur in ihrem unermüdlichen und fruchtbaren Schaffen. Heilige Bäume und pflanzliche Riten finden sich in der Geschichte aller Religionen, in Volkstraditionen und alten Mystiken, ganz zu schweigen von der populären Ikonographie und Kunst.
    Kolibri-Motiven begegnet man schon in den Keramiken der Moche-Kultur (eine im 1. Jahrtausend n. Chr. an der Küste Nordperus beheimatete Kultur, Anm. d. Red), wo sie zusammen mit Läufern erscheinen. Im Tal von Mantaro erscheint er als flinker Bote, der Botschaften der Abwesenden überbringt – mit der Schnelligkeit seiner Flügel, die ihn unsichtbar machen. Auch heutzutage kommt der Kolibri in populären Liedern, Stoffen, Keramiken, in Erzählungen vor. Er war und bleibt ein verbreitetes Symbol in der Kultur Perus und Lateinamerikas.

    In Ihren Gemälden sind die Gesichter der Personen oft ganz oder halb verdeckt, oder die Augen geschlossen. Kann man dies als einen Ausdruck von Leid verstehen?

    Die Figuren in meinen Bildern sind nicht als individuelle Personen zu verstehen, vielmehr überwiegt die kollektive Erinnerung, die kollektive Erinnerung eines Volkes, das in einer mythischen, religiösen Welt mit seiner Natur lebt. Sie gehören zur Erde – der pacha – und vollführen für sie Feste, Tänze und Gesänge, es ist ein Archetyp des Menschseins, bei dem der Betrachter eine individuelle Person ohne Geschichte oder Mythos sehen mag. Ich möchte eine Poesie erschaffen, die im weiten Sinne eine Vision der Wirklichkeit mitteilt. Die Realität empfinde ich als so bedrückend, spannungsvoll, dass ich auf die Mythen, nicht nur meines Landes, sondern auch der Kulturen anderer Weltteile zurückgreifen muss, um meine Gefühle ausdrücken zu können.

    Geht es Ihnen darum, diese Wirklichkeit abzubilden, etwa ihre verborgenen Seiten, oder wollen Sie eher eine Gegen-Wirklichkeit, womöglich eine Utopie aufzeigen?

    Meine Bilder mögen Ideen ausdrücken, um mit der Wiederaufnahme geschichtlicher Erfahrung Reflexionen über die Gegenwart auszulösen und so eine fragende Spannung hervorzurufen. Ich versuche aber nicht, die Kunst zu nutzen, um die Gesellschaft oder Wirklichkeit zu verändern, sondern ich bringe sie vor wie ein Nachdenken über die Zeit, in der ich lebe. Ein Künstler stellt weder ein Gesellschaftsmodell noch politische Forderungen auf, das wäre eine bürgerliche Aufgabe, sondern ich versuche, mit meinen Bildern eine Haltung anzuregen, vor den großen Schwierigkeiten, in denen sich unsere heutige Welt befindet.

    In welchem Alter wussten Sie, dass Sie Künstler werden und keine bürgerliche Laufbahn anstreben wollten? Welche Einflüsse und Umstände waren dafür ausschlaggebend?

    Eine entscheidende Prägung war mein älterer Bruder, der auf einem weißen Blatt Papier Figuren und Landschaften hinzaubern konnte, die es in meiner Welt nicht gab. Ich war damals wohl fünf Jahre alt, als ich diese magische Gabe meinen Bruders wahrnahm. Nach vielen vergeblichen Versuchen, einen Beruf zu ergreifen, der mich ernährte, entschied ich mich mit 25 Jahren, die Prüfungen für die Aufnahme in der Kunstakademie „Escuela de Bellas Artes“  in Lima, die nur zwei Straßenzüge von meinem Zuhause entfernt war, abzulegen. Ich denke, schon meine ganze Kindheit über lebte ich eigentlich für die Kunst, denn nachdem ich die Grundschule beendet hatte, besuchte ich die weiterführende Schule nur, um meine Wunschvorstellung, ein großer Maler zu sein, zu nähren. Aber die Wirklichkeit ist eine andere: Den Beruf auszuüben bedeutet viel Arbeit. Man braucht Konzentration und dauerhafte Anstrengungen, was mir alles nicht gegeben war, denn meine Mutter gab ihr äußerstes, um den Haushalt aufrecht zu erhalten und uns sechs Kinder durchzubringen, und ich musste mit anpacken. So arbeitete ich tagsüber und lernte nachts. Aber ich schaffte den Abschluss trotz aller Widrigkeiten.

    • Jaime Colán ist telefonisch unter 07141-280626 und per E-Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zu erreichen.

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