08. Februar 2022

Die goldene Stadt

Von Ernst R. Hartmann, Themen Kultur, Gesellschaft und Bildung | Literatur | Newsletter - 01. März 2022

Besprechung eines Romans von Sabrina Janesch

Die goldene Stadt

Mitte der 1960er Jahre. Ich war Schüler an einem naturwissenschaftlichen Gymnasium in Krefeld. Wir sollten über ein Thema, das uns persönlich interessierte, referieren. Ich entschied mich für ein Referat über die Inkastadt Machu Picchu. Ich kann mich weder an meinen Vortrag erinnern noch daran, was meine Wahl bestimmte. Bald fiel diese schulische Episode dem Vergessen anheim. Allein die Faszination schien geblieben. Und wie so oft lassen uns bestimmte Themen nicht mehr los.

Zufällig las ich vor wenigen Wochen auf Perú-Vision Richard Meiers Besprechung eines Romans von Sabrina Janesch: „Die goldene Stadt“ - ein Roman über Rudolph August Berns, einen Auswanderer aus dem Rheinland, den frühen Entdecker von Machu Picchu. Sofort war klar: Dieses Buch musst du lesen. Dass Augusto Berns aus Uerdingen kam, einem Krefelder Stadtteil, konnte mein Interesse nur anheizen.

Erwartet habe ich einen Abenteuerroman. Und bekommen habe ich … einen Abenteuerroman von hoher Qualität. Spannend, leidenschaftlich erzählt, von enormer Dichte, sauber und gründlich recherchiert. Sabrina Janesch gelang es, die Obsession des Augusto Berns auf mich überspringen zu lassen. Ich musste Episoden im Leben dieses Mannes en passant im WWW nachvollziehen. Seine Lehr- und Arbeitsjahre in der Schirmfunierfabrik der Gebrüder Dültgen in Solingen. Oder den Verkauf von Kultgegenständen der Inka aus der Sammlung der Maria Ana Centeno Ende des 19. Jahrhunderts an Berliner Museen. Doch Sabrina Janesch vermittelt über dieses Abenteuerleben hinaus atmosphärisch Wissen über Geschichte, Politik, Kultur und die Menschen Perus im Ausgang des 19. Jahrhunderts. Ihre Kenntnisse des Landes und ihre offensichtliche Liebe zu diesem Land verdankt sie nicht zuletzt ihren Aufenthalten in Peru. Erstaunlich ihre Fähigkeit, die Gedanken, Träume und Wünsche der handelnden Personen, ihre Emotionen, ihre Liebe, ihren Hass und ihre seelischen Qualen, ihre Hoffnungen und Enttäuschungen mit den historisch belegbaren Fakten zu verknüpfen. Anschaulich ihre Schilderungen der Flora und Fauna der sierra, des peruanischen Hochlandes. Der Roman ist wie aus einem Guss zu lesen.

Dass das Auffinden Machu Picchus durch Augusto Berns 1876 bzw. durch den bis vor wenigen Jahren als Entdecker anerkannten Hiram Bingham im Jahr 1911 nur aus postkolonialistischer Perspektive als „Entdeckung“ anzusehen ist, dass lange vor diesen die indígenas, die einheimischen Bauern, die Terrassen der verlassenen Inkastadt bewirtschaftet haben, sollte uns bewusst sein - tut jedoch meiner Begeisterung für den Roman keinen Abbruch.

Ich werde Peru, seine Geschichte, seine Kultur und seine Menschen nach diesem Roman mit anderen Augen sehen.

Über den Autor

Ernst R. Hartmann

Ernst R. Hartmann

Ernst R. Hartmann, geboren 1950 am linken Niederrhein. Versteht „links“ nicht nur geographisch. Nach Abitur, kaufmännischer Lehre und Ersatzdienst in einem Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt Studium der Mathematik und der Wirtschaftswissenschaften in Aachen und Freiburg i. Br. Arbeitete lange Jahre als Consultant in Einrichtungen des Gesundheitswesens und als Dozent vorwiegend in der Weiterbildung von Pflegekräften.

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.