23. Oktober 2015

Verkauft Peru sein Kulturerbe?

Von Kirsten Baumbusch - Freie Mitarbeiterin, Themen Kultur, Gesellschaft und Bildung

Zum Generalstreik in Cusco

Verkauft Peru sein Kulturerbe?

Streik in Peru ist anders, als ich das von Deutschland gewöhnt bin. Nichts geht mehr in Cusco. Die Kinder bleiben von der Schule daheim - zu gefährlich. Kein Bus fährt mehr, auch kein Taxi. Die Straßensperren aus dicken Steinen und großen Autoreifen werden von kampfesmutigen Männergruppen bewacht oder sie spielen dort einfach Fußball. Nur Krankenwagen dürfen durch. Die kleinen Läden haben geöffnet, Straßenhändler machen das Geschäft ihres Lebens. Die großen Supermärkte hingegen haben die Rollgitter halb heruntergelassen, um im Fall einer Attacke schnell komplett schließen zu können.

Die Banken haben zu, die Behörden auch, das öffentliche Leben erliegt. Dafür flanieren Familien auf den Hauptverkehrsstraßen in Feierstimmung. Und trotzdem liegt eine gewisse Anspannung in der Luft. Lagen eskalieren schnell, hier in Peru.

Streik in Cusco

Und warum das Ganze? Nach Ansicht vieler Menschen droht Peru sein Kulturerbe zu verkaufen. Klammheimlich wurde nämlich von der Regierung ein Gesetz erlassen, dass geschichtsträchtige Kulturstätten und Nationalparks privatisiert werden dürfen. Die Umsetzung zu verhindern, dazu haben sich die Menschen jetzt zusammengeschlossen. Sie nehmen Unannehmlichkeiten und Einkommensverluste in Kauf, denn sie fürchten, dass nicht nur am Machu Picchu ein Disneyland auf Peruanisch entstehen könnte.

Streik in Cusco

Bislang genießen die Peruaner, die ja zumeist ein deutlich niedrigeres Einkommen aufweisen als die Touristen, fast überall Vorzüge. An manchen Tagen dürfen sie gratis auf den Machu Picchu, im Colca Canyon zahlen sie für das Touristenticket nur 20 statt 70 Soles und die Inkastätten und Nationalparks dürfen sie auch zu einem Bruchteil der Kosten für Ausländer besuchen. Und trotzdem haben viele Menschen in Cusco das Nationalheiligtum Machu Picchu noch nie gesehen, denn der Zug dorthin (das einzige Verkehrsmittel) wurde schon lang privatisiert und die Preise damit erhöht. "Das würde mit Privatinvestoren überall geschehen", fürchten viele Peruaner die Kommerzialisierung. Ganz zu schweigen davon, dass sie glauben, dass dann Großprojekte wie Seilbahnen entstünden, die den Monumenten und Parks eher schaden als nützen. Die Peruaner sind stolz auf ihr kulturelles Erbe, sie wollen es vor Ausbeutung bewahren und dafür streiken sie.

Und es liegt eine beschauliche Ruhe über der Stadt, sogar die Straßenhunde genießen ungestört die Sonne auf dem Mittelstreifen, der sonst umtost ist von Verkehr. Das Fahrrad erlebt eine Renaissance und ich gerate kilometerlang ins Zentrum stapfend ins Grübeln. Würden die Menschen in Heidelberg streiken, wenn das Schloss privatisiert werden sollte?

Übrigens der Generalstreik hatte Erfolg und das Parlament hat das Gesetzesvorhaben zurückgenommen (57 Abgeordnete stimmten für die Rücknahme, 7 dagegen bei 3 Enthaltungen). Die Bevölkerung Cuscos hat etwas bedeutsames für ganz Peru erreicht.

Streik in CuscoDas Kongresssaal, Bildquelle: La República

Über den Autor

Kirsten Baumbusch - Freie Mitarbeiterin

Kirsten Baumbusch - Freie Mitarbeiterin

Sie verbringt ein Sabbatical in Arequipa/Peru, wo sie in einem Projekt für Kinder namens "Casa Verde" arbeitet. Sie betreibt das Blog Scilogs. Sie möchte Ihr Blog als Betroffenheits-Blog verstanden wissen.

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