11. Mai 2016

50 Jahre Goethe-Institut in Lima

Von Richard Meier - Freier Mitarbeiter, Themen Kultur, Gesellschaft und Bildung | Newsletter - 2016 - 06 Juni

Das Goethe-Institut in Lima hat im April sein 50-jähriges Jubiläum gefeiert. Sein Auftrag ist von jeher die Vermittlung der deutschen Sprache und die Verbreitung deutscher Kultur in Peru. Dies soll auch in Zukunft so bleiben; trotzdem werden in der Kulturarbeit neue Perspektiven eingenommen. Fragen an die Direktorin Dr. Carola Dürr.

Mit welchen Ländern hatten Sie als Kulturvermittlerin zu tun, bevor Sie 2013 die Leitung des Goethe-Instituts in Lima übernommen haben?

In der Vergangenheit hatte ich mit sehr vielen Ländern weltweit zu tun – einerseits durch meinen Schwerpunkt auf Ost- und Mitteleuropa, andererseits durch meine Arbeit für das Haus der Kulturen der Welt in Berlin, wo ich in Projekte zu Zentralasien, Mexiko, und in ein internationales Performing-Art-Festival mit dem Schwerpunkt auf außereuropäischen Kulturen eingebunden war. Hier hatte ich auch viel Kontakt mit asiatischen Ländern. Für das Goethe-Institut habe ich seit dem Jahr 2000 als freiberufliche Dramaturgin Projekte in verschiedenen Ländern entwickelt und durchgeführt.

Worin sehen Sie vor diesem Hintergrund die Besonderheiten im deutsch-peruanischen Austausch?

Was mir besonders auffällt, ist die große Aufgeschlossenheit gegenüber allem, was wir anbieten. Es ist ein riesiges Interesse vorhanden, für traditionelle Formate und Inhalte ebenso wie für neue und experimentelle. Wenn man das beispielsweise mit Berlin vergleicht, so ist dort eine sehr viel größere Sättigung zu spüren. Dieses breite Bedürfnis nach Kultur- und Bildungsangebot macht meine Arbeit hier in Peru besonders befriedigend.

In einer Mitteilung zum 50-jährigen Bestehen betonen Sie, dass das Goethe-Institut Partner innerhalb der peruanischen Kulturszene sein will. Verstehen Sie sich eher als Repräsentant deutscher Kultur oder als Förderer peruanischer Kulturschaffender?

Das Goethe-Institut hat natürlich nach wie vor die Aufgabe, ein Deutschlandbild zu vermitteln. Dies geschieht aber heute nicht mehr so sehr durch eine Repräsentationskultur. Vielmehr geht es um die Art und Weise, wie wir in Deutschland Kultur machen, also um die Vermittlung unseres Kulturverständnisses. Das beinhaltet zum einen die Berücksichtigung der stärkeren Globalisierung der Kunst- und Kulturszene. Wir sprechen weniger von deutschen Künstlern, als von Künstlern aus Deutschland, d.h. von Künstlerinnen und Künstlern, die ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in Deutschland haben. Bei der Kooperation und dem Austausch streben wir die Begegnung auf Augenhöhe und einen wechselseitigen Lernprozess an. Wenn wir uns beispielsweise, wie im Moment, verstärkt für Themen in Bezug auf den urbanen Raum interessieren, finden wir auch spannend, wie sich lokale Künstler und Künstlerinnen damit beschäftigen.

Welche Entwicklungen in der Kulturszene in Lima und Peru finden Sie persönlich spannend?

Sehr beeindruckend finde ich generell die enorme Entwicklung, die das Land in den vergangenen 10 bis 15 Jahren durchgemacht hat. Die Kulturszene erscheint mir sehr vital, die Neugier und Experimentierfreude der jungen Kulturschaffenden sehr groß. Es gibt viele Crossover-Projekte, die sich keinem Genre eindeutig zuordnen lassen. Diese Entwicklung verfolge ich mit großem Interesse. Auch die Suche nach der (Rück-)Eroberung des öffentlichen Raumes finde ich spannend. Viele Projekte beschäftigen sich auch mit der jüngeren Vergangenheit, sind Teil einer peruanischen Identitätssuche. Das scheint mir außerordentlich wichtig.

In der Mitteilung zum Jubiläum kündigen Sie auch an, dass Sie über die nationale Ebene hinaus den internationalen Kulturaustausch befördern wollen. An welche Inhalte und Zielgruppen denken Sie dabei?

Das Goethe-Institut bringt zunehmend sein internationales Netzwerk ein: So fördern wir beispielsweise die regionale Vernetzung innerhalb Südamerikas, in dem die Goethe-Institute in den verschiedenen Ländern der Region gemeinsam Projekte entwickeln und durchführen. Das kann sich inhaltlich auf sehr unterschiedliche Dinge beziehen: Letztes Jahr zum Beispiel haben wir in Buenos Aires einen experimentellen Workshop zu Neuem Musiktheater mit Teilnehmern aus mehreren südamerikanischen Ländern durchgeführt. In Santiago de Chile ging es um den regionalen Austausch von Kulturmanagern. Dieses Jahr werden wir etwas zum Thema Erinnerungskultur machen und einen regionalen Workshop im Bereich Tontechnik durchführen. Für nächstes Jahr entwickeln wir ein regionales Projekt zu Fragen der Migration. Die Zielgruppen sind so unterschiedlich wie die Themenstellungen: Je nach Projekt reichen sie vom allgemeinen Publikum bis zu spezifischen Berufsgruppen im Kunst- und Kulturbereich.

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Kulturelle Aktivitäten und Sprachkurse

Das Goethe-Institut hat in den letzten Jahrzehnten Vertreter aus unterschiedlichsten Kulturbreichen Deutschlands nach Peru geholt, darunter so prominente Persönlichkeiten wie den Philosophen Jürgen Habermas, die Tänzerin Pina Pausch, den Filmproduzent Werner Herzog, der Videokünstler Marcel Odenbach, die Komponistin Gudrun Gut oder den Schriftsteller Daniel Kehlmann. Hinzu kamen Veranstaltungen wie die internationale Ausstellung „200 Jahre danach, die Reise Alexander Humboldts nach Peru“ oder Kunst-Aktionen im öffentlichen Raum während der Weltklimakonferenz 2014 in Lima. Daneben brachte das Goethe-Institut zeitgenössisches deutsches Theater zur Aufführung und wirkte bei Festivals mit. Die Tätigkeit wurde zuletzt auf Schnittstellen zwischen Kultur und Entwicklung ausgeweitet, etwa die Schulpartnerschaft „PASCH“, eine „Denkfabrik“ zusammen mit Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit oder ein Leseprogramm in Cajamarca.

Kulturarbeit, Sprachkurse und Bibliothek werden aus Eigeneinnahmen der Sprachkurse und Zuwendungen des Auswärtigen Amtes finanziert. Derzeit unterrichten am Goethe-Institut in Lima ungefähr 20 Lehrkräfte die durchschnittlich 800 Kurseilnehmer pro Bimester. Rund die Hälfte sind Studenten, von denen viele beabsichtigen, an eine deutsche Hochschule zu wechseln. Der übrige Teil sind überwiegend junge Berufstätige, die sich für ein Aufbaustudium interessieren. Weil der DAAD sein Angebot in Peru in den letzten Jahren sehr ausgeweitet hat, ist die Nachfrage nach Deutschkursen gewachsen.

Obwohl das Goethe-Institut nur in Lima ansässig ist, versucht es auch, den Erwerb der deutschen Sprache in der Provinz zu unterstützen. Zum einen durch einen Filmverleih, der von Institutionen im ganzen Land in Anspruch genommen werden kann, zum anderen durch die Digitalisierung des Angebots: Dank der „Onleihe“ können deutschsprachige Bücher digital und somit ortsunabhängig ausgeliehen werden, zudem gibt es online moderierte Sprachkurse. Des Weiteren arbeitet das Goethe-Institut an Online-Übertragungen seiner Diskussionsveranstaltungen. Nicht zuletzt wird Kulturgesellschaften in Cusco und Arequipa ermöglicht, Deutschkurse mit Zertifikat vom Goethe-Institut anzubieten.

Über den Autor

Richard Meier - Freier Mitarbeiter

Richard Meier - Freier Mitarbeiter

Bei Peru-Vision schreibt er zu Industrie- und Infrastrukturthemen.

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