10. Januar 2016

Peru und die Folgen des Klimagipfels 2015 in Paris

Von Miguel Meyer - Freier Mitarbeiter, Themen Umwelt | Nachrichten zur Politik Perus | Newsletter - 2016 - 01 Januar

Präsident der COP21 Laurent Fabius kündigt die Unterzeichnung des Vertrags an.

War der Pariser Weltklimagipfel ein Ereignis, das man sich im Kalender notieren kann, oder nur (wieder) eine enttäuschende Konferenz? Die Lobeshymnen waren nicht zu überhören. Da ist die Rede von „Meilenstein der Menschheit“, „wegweisender Vertrag“ oder „historischer Wendepunkt beim Klimaschutz“. Was hat die Konferenz aber faktisch gebracht?

Grund zum Optimismus

Im Vergleich zu den vorherigen Verträgen gab es unter den 196 Beteiligten einhellige Zustimmung zum Pariser Vertrag. Das ist einmalig. Einig war man sich auch darüber, dass die Erderwärmung künftig unter der 2-, im Idealfall unter der 1,5 Grad-Grenze zu halten sei, eine Zielsetzung, die unter den 195 partizipierenden Ländern und der EU dennoch durchaus Konfliktpotential in sich trug. Trotzdem: Sämtliche Interessen unter einen Hut zu bringen, war beileibe kein leichtes Unterfangen und verdient mitunter technisch-organisatorisch viel Lob. Zudem hat erstmals die große Mehrheit der Teilnehmer eigene Klimaschutzpläne vorgelegt, wie die Treibhausgase im eigenen Haus zu senken seien - öffentliche Pläne, die alle fünf Jahre je nach Lage angepasst und revidiert werden sollen. Neu ist, dass die jeweiligen Regierungen als Träger dieser Klimaschutzziele bei einer Nichterfüllung des Vertrages in die Verantwortung gezogen werden können. Man teilte zudem grundsätzlich die Erkenntnis, dass ein Ausstieg aus der Öl-, Gas- und Kohleverbrennung künftig unabdingbar sei, um der Erderwärmung Einhalt zu gebieten.

Die Organisatoren jubeln

Erstmals wurde die Luftverschmutzung als für die Menschheit gesundheitsgefährdend anerkannt und entsprechend auf der Tagesordnung der Konferenz gesetzt. So soll den ärmsten Ländern finanziell unter die Arme gegriffen und bei der Bekämpfung der Abholzung der tropischen Wälder Abhilfe geschaffen werden. Darüber hinaus werden ab 2020 100 Mrd. US Dollar für Länder, deren Ökosysteme besonders in Mitleidenschaft gezogen sind, jährlich freigestellt.

Skepsis

Der Jubel über den Ausgang der Klimakonferenz hielt sich jedoch in Grenzen, denn viele Fragen blieben offen oder sorgten gar für weiteren Zündstoff. „Die Diskrepanz zwischen dem in Paris vereinbarten Temperaturziel und der tatsächlichen Klimapolitik der Staaten ist riesig.“(Hubert Weiger, Vorsitzender von BUND in: Die Zeit-Online vom 13.12.2015)

Da wäre erstens der Starttermin des Vertrages im Jahr 2020. Bis dahin reichen selbst die ernsthaftesten Anstrengungen nicht aus, um die Erderwärmung auf 2-, geschweige denn auf 1,5 Grad zu senken, ein Ziel, das aber mit Nachdruck von vielen Inselstaaten eingefordert wird, um Überflutungen durch den Anstieg des Meeresspiegels zu verhindern. Andererseits können die Industrie- und Schwellenstaaten kaum auf den Verbrauch von fossilen Energien innerhalb dieses Zeitraums verzichten, sollten das Wirtschaftswachstum und damit auch der allgemeine Wohlstand nicht kollabieren.

Bis 2020 müssten die Klimaschutzpläne aller beteiligten Länder deutlich nachgebessert werden, doch die Implementierung dieser Ziele erfolgt lediglich auf einer freiwilligen Basis, d.h. es gibt de facto keine Sanktionsmöglichkeiten. So müsste die EU sofortige Maßnahmen ergreifen, um den Treibhausausstoß bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren und Deutschland lieber heute als morgen aus der Kohlenenergie aussteigen. Bis Inkrafttreten des Pariser Vertrages sind also diese Ziele nur schwerlich zu erreichen, zumal Länder wie Venezuela, Nicaragua und Panama – im lateinamerikanischen Raum – erst gar keine Klimaschutzpläne vorgelegt haben.

Die finanzielle Unterstützung von jährlich 100 Mrd. US-Dollar wird erst ab 2020 gewährleistet und ist ohnehin in zweierlei Hinsicht umstritten: Erstens ist es fraglich, ob diese Geldmittel überhaupt ausreichen, und zweitens ist zu befürchten, dass hierfür Gelder aus Entwicklungsprojekten abgezweigt werden. Unklar ist auch, aus welchen Quellen dieses „Klimageld“ zur Verfügung gestellt werden soll. Wie soll es errechnet werden, wann und an wen soll es ausbezahlt werden? (John Vidal „The Guardian“, 15.12.2015)

Zur Lage Perus

Peru zählt unter den zehn Ländern weltweit mit der unterschiedlichsten biologischen Vielfalt und ist eben aus diesen Gründen durch den Klimawandel am verwundbarsten. Das Land hat die zweitgrößte Waldfläche im Amazonasgebiet, eine der größten Gebirgsketten, besitzt 84 der 104 festgestellten Naturlandschaften sowie 27 der 32 klimatischen Gegebenheiten unseres Planeten (Peru-Vision - Biodiversität und die peruanische Küche). Seit jeher ist das Land auf die Erschließung seiner Naturressourcen sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Export angewiesen. Umso dringlicher sind also die Erhaltung seiner Ökosysteme und die damit verknüpfte Bekämpfung der Erderwärmung.

Peruanischer Umweltminister Pulgar Vidal in Paris zufrieden

Laut Dekret hat die peruanische Regierung 2011 ein umfangreiches Programm ins Leben gerufen, das sich eine Optimierung etlicher Lebensbereiche (Staat und Gesellschaft, Wirtschaft, Infrastruktur, Erziehung und Umwelt) bis 2021 – dem zweihundertjährigen Jubiläum seiner Unabhängigkeit – zum Ziel gesetzt hat, den sogenannten Plan Bicentenario. Dieses Programm schließt explizit umweltpolitische Maßnahmen zur Erhaltung von Mensch und Natur ein, an dessen Implementierung verschiedene Einrichtungen, auch auf kommunaler Ebene, beteiligt werden sollen (El Perú hacia 2021, Centro Nacional de Planeamiento Estratégico CEPLAN).

Ganz oben auf der Tagesordnung ist die Bekämpfung der durch ein geradezu unkontrollierbares Verkehrschaos in der Hauptstadt sowie in anderen Ballungszentren verursachten Luftverschmutzung (Peru-Vision - Peru und die Weltklimakonferenz COP 21 in Paris). In diesem Zusammenhang erwähnte der Umweltminister Manuel Pulgar Vidal erneut die Dringlichkeit einer zweiten Metro-Bahn für Lima (Fernsehinterview „Hora N“, Peru-Vision - Herrenknecht liefert Tunnelbohrer für U-Bahn in Lima aus).

Die Wasserqualität lässt laut Nationalamts für Hydrologie, Autoridad Nacional del Agua (ANA), sehr zu wünschen übrig. Einundzwanzig Flüsse sind durch verschiedene Abfälle, nicht zuletzt die der Bergbauindustrie, kontaminiert (Gestion vom 14.12.2015). Besorgniserregend ist die Tatsache, dass das Trinkwasser vielerorts genau aus diesen Flüssen ungefiltert entnommen wird. Hier also ist Handlungsbedarf zwingend vonnöten.

Laut der Peruanischen Gesellschaft für Umweltrecht, Sociedad Peruana de Derecho Ambiental (SPDA) sind 35 Prozent des Treibhausgasausstoßes auf die Waldrodung im Amazonasgebiet zurückzuführen. Maßnahmen gegen die Abholzung der Wälder wurden bereits eingeleitet, aber haben nach wie vor höchste Priorität (Peru-Vision - Überwachung der Waldfläche).

Im Dezember 2013 errechnete das Umweltministerium Perus, dass die Treibhausgasemissionen des Landes (Emisiones de Gases de Efecto Invernadero, GEI) in den letzten 15 Jahren zwar um 40% gestiegen sind, dass diese aber weniger als ein Prozent der Emissionen weltweit ausmachten (Ministerio del Ambiente, 04.12.2013). Und in dieser Zeit konnte Peru ein Wirtschaftswachstun von 70 Prozent aufweisen.

Geht diese Rechnung überhaupt auf – Wirtschaftswachstum mit einer gleichzeitigen Senkung von CO2-Emissionen? Das peruanische Umweltministerium zeigt sich auf längere Sicht zuversichtlich. So stiegen die Treibhausgasemissionen 1994 bis 2000 zwar um 3,6% an, zwischen 2000 bis 2009 jedoch nur um 1,7%. Bis 2030 strebt Peru eine Reduzierung seiner Treibhausgasemissionen von 30 % an, wobei Zwei Drittel der Ausgaben mit Eigenkapital und ⅓ mit ausländischen Geldmitteln zu finanzieren wäre.

Doch Hoffnung?

2015 war weltweit das wärmste Jahr, seit es Wetteraufzeichnungen gibt. Extreme Niederschläge und Überflutungen in der Regenzeit sowie extreme Sommer- und Dürreperioden suchten viele Länder mit katastrophalen Auswirkungen für Mensch und Natur heim. Wird alles beim alten bleiben? Der Ernst der Lage spricht eher dagegen. Selbst wenn einige Länder es ablehnen, sich der Diskussion anzuschließen (hier seien in erster Linie die erdölproduzierenden Länder genannt), schließen sich andererseits mehr und mehr Nationen zusammen, um dezidiert ihre Klimaziele gemeinsam umzusetzen. Neben dieser Kooperation auf Regierungsebene schalten sich zunehmend auch Basisgruppen und Unternehmen ein, um einen Beitrag zu leisten.

Bleibt zu hoffen, dass die neue Regierung Perus nach der Präsidentschaftswahl 2016 die Umsetzung der Klimaziele weiter vorantreibt und am Kurs einer nachhaltigen Umweltpolitik festhält. Denn die Hoffnung einer erfolgreichen Umweltpolitik besteht vielmehr in der Notwendigkeit zu handeln als in der Absicht sie umzusetzen.

Über den Autor

Miguel Meyer - Freier Mitarbeiter

Miguel Meyer - Freier Mitarbeiter

Miguel meyer wuchs in Lima auf, wo er die Schule abschloss. Danach folgte ein Studium in Soziologie und Anglistik an der Alfred University in New York.

1977 machte er seinen 1. Staatsexamen an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg in Politikwissenschaft und Anglistik. Nach dem 2. Staatsexamen am Seminar für Studienreferendare Karlsruhe, wurde er Lehrer für Englisch und Geschichte.

Anschließend war er über 20 Jahre in der Erwachsenenbildung mit dem Schwerpunkt Sprachdidaktik und -Vermittlung tätig.

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