27. Juni 2020

Peru zwischen einer zweiten Corona-Welle und der Öffnung der Wirtschaft

Von Gerardo Basurco, Nora Basurco - Freie Mitarbeiterin, Themen Soziale Entwicklung

Zur aktuellen Lage der Pandemie

Quelle:Johns Hopkins University in Süddeutsche Zeitung vom 29.6.2020

Ende März hatte Peru 1095 Infizierte, am 29. Juni waren es 279 419 und bislang sind 9317 direkt an COVID-19 gestorben. Die Zahl der Infizierten in Peru hat längst Italien und Spanien überholt und das Andenland belegt bezüglich der Infiziertenanzahl den unrühmlichen sechsten Platz weltweit.

Peru steht seit mehr als 100 Tage unter Quarantäne, die am 30. Juni abläuft und startet schrittweise die Öffnung der Wirtschaft. Anfang der Woche haben die Einkaufsmeilen unter strengen Vorsichtsmaßnahmen (Schutzmaskenpflicht, 50% des Fassungsvermögens) wieder geööffnet. Nach dem Nationalen Institut für Statistik und Informatik INEI ist das BIP im Monat April um 40% zurückgegangen. Das Land sucht ein Gleichgewicht zwischen Verhinderung einer zweiten Corona-Welle und der Reanimation der Wirtschaft.

Entwicklung der COVID-19 Infizierten in Peru

Am 31. Mai erreichte die Zahl der Infizierten den Höchststand von 8805, die Wochen darauf schwankte diese Zahl zwischen 4000 und 5000, um in der zweiten Junihälfte auf 3000 bis 4000 zurückzugehen. Die Ausreißer dieses Trends sind die Sonntage, weil  totale Ausgangssperre besteht und weniger getestet wird. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob Peru das erhoffte Plateau erreicht hat, das dann zu einer kontinuierlichen Senkung der Zahl der Neu-Infizierten führt.

Neuinfizierten

Steht die Reproduktionszahl in Peru unter 1?

In Deutschland ist die vom Robert Koch Institut RKI regelmäßig veröffentlichte Reproduktionszahl die Richtschnur für die Beurteilung des Infektionsrisikos. Wenn man die Formel des RKI auf Peru anwendet (RKI, Bericht 17 / April 2020, S. 13 ff) erhält man für den Monat Juni noch relativ schwankenden Werte um die Reproduktionszahl 1. Allerdings scheinen diese Werte in den letzten zwei Wochen nicht so stark zu schwanken wie in den Wochen davor. Nimmt man zu der Reproduktionszahl noch das Verhältnis von täglich Neu-Infizierten zu der Anzahl der Getesteten hinzu, so kann ein deutlicher Trend zur Abnahme dieses Verhältnisses feststellen. Lag diese Relation in der ersten Junihälfte noch zwischen 20% und 30%, so liegt sie in der zweiten Hälfte zwischen 15% und 20%, die die abnehmende Tendenz der Neu-Infizierten untermauert. Sollte sich diese Tendenz in den nächsten Wochen fortsetzen, könnte das Erreichen des Plateaus und somit Abnahme des Infektionsrisikos bestärkt werden.

Reprod. Zahl

Infektionsrisiko regional unterschiedlich

Allerdings verläuft die Entwicklung der COVID-Infektionen nicht homogen im gesamten peruanischen Territorium. In den Monaten März bis Mai waren die Hotspots Lima, die nördliche Küste und Iquitos im Urwald. Die Hotspots sind nun nach Arequipa, Ica, Junin, Huánuco, San Martín, Madre de Dios und Ancash gewichen. Hierbei handelt es sich um die Nachbarregionen von Lima –Ica, Ancash, Junin und Huánuco, die zweitgrößte Stadt des Landes, Arequipa und zwei Regionen im Urwald mit defizitärenr Gesundheitsinfrastruktur (Madre de Dios und San Martín). Auch in der Hauptstadt Limas haben sich die Hotspots vom Stadtzentrum zu der Peripherie (Elendsviertel) verlagert.


Video von MatLab zur Entwicklung von COVID-19 in den Regionen und in den Stadtbezirken Limas


Neue Maßnahmen ab 1. Juli 3. Phase

Am 26. Juni verkündete die Regierung die Aufhebung der Quarantäne in ganz Peru bis auf sieben mit hohen Infektionszahlen betroffenen Regionen (Arequipa, Ica, Junin, Huánuco, San Martín, Madre de Dios und Ancash). Außerdem wird ab dem 1. Juli die sonntägliche Ausgangssperre aufgehoben und der nächtliche Ausgang von 22:00 bis 4:00 nationalweit verkürzt. Lediglich in den sieben Regionen mit verlängerter Quarantäne gilt -nach wie vor- bis auf weiteres die sonntägliche und die nächtliche Ausgangssperre von 20:00 bis 4:00.
Mit der Aufhebung der Quarantäne geht die Öffnung der Wirtschaft einher. Bereits am 17. Juni verkündete der Präsident Vizcarra das Programm „Start Peru“, in dem die Regierung mit staatlichen Mitteln in der Größenordnung von ca. 6 Mrd. S/. (1,5 Mrd. Euro) kurzfristig 1 Mio. Arbeitsplätze schaffen möchte. Diese sollen in den Sektoren Transport, Wohnungsbau, Arbeit und Landwirtschaft entstehen. Insbesondere in der Instandhaltung von Straßen auf Gemeindeebene sollen 4 Mrd. S/. investiert werden.
Noch Ende Mai wurden die Einkaufszentren mit 50% Fassungsvermögen eröffnet. Ab ersten Juli tritt die 3. Phase des Reaktivierungsprogramms in Kraft, die eine weitere Öffnung der Bergbauaktivitäten (mittleren Bergbau), Bauwirtschaft (Infrastruktur und Instandsetzung) und Handel (Großhandel und Retail) sowie Dienstleistungen und Tourismus (Restaurants, Transport und nationaler Tourismus) vorsieht.

Fazit

Mit einer deutlichen Verzögerung, die in der heterogenen Struktur des Landes, der ungleichen Verteilung des Einkommens und der Bedeutung des informellen Sektors (vgl. Armut in Peru) sowie im mangelhaften staatlichen Management angesiedelt sind, scheint die Strategie gegen COVID-19 aufzugehen. Die Reaktivierung der Wirtschaft schreitet langsam voran und es bleibt zu hoffen, dass die extrem große Zahl verlorener Arbeitsplätze durch die stattlich ergriffenen Maßnahmen kompensiert werden können  (die Arbeitslosenrate hat sich mindestens auf 13,1% verdoppelt, eine andere Quelle geht von 23,6%, 3,5 Mio. verlorene Arbeitsplätze aus).
Ob es der Regierung gelingt gelichzeitig die Wirtschaft anzukurbeln und die COVID-19 Infektionen in Schach zu halten, hängt wesentlich davon ab wie sich die Privatwirtschaft und wie vorsichtig sich die Bewohner des Landes in der zweiten Hälfte des Jahres  verhalten.

Über den Autor

Gerardo Basurco

Gerardo Basurco

Er betätigt sich als Berater und Projektleiter in der Privatwirtschaft und ist Dozent in Entwicklungspolitik und Landeskunde Lateinamerikas für die AIZ/GIZ. Zudem verfügt er über langjährige Erfahrung in der Kooperation zwischen Deutschland und Lateinamerika.
Bei Peru-Vision ist er zuständig für den Bereich Wirtschaft und Politik sowie Consulting.

Nora Basurco - Freie Mitarbeiterin

Nora Basurco absolvierte nach dem Abitur ein Praktikum als Assistant Teacher von Deutsch und Englisch an der deutschen Schule Max Uhle in Arequipa. Nach dem Studium von European Studies und Informatik ist Nora Basurco als freie Mitarbeiterin für Peru-Vision tätig.

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