19. Dezember 2021

Das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz muss modernisiert werden

Von Ana Melva Pérez de Preitschopf, Themen Soziale Entwicklung | Newsletter - 2021 - 12 Dezember

Peru/Deutschland: Fehlende doppelte Staatsbürgerschaft sorgt für Komplikationen

Das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz muss modernisiert werden

Peru-Vision bedankt sich bei Ana Melva Pérez de Preitschopf für die Genehmigung den folgenden Artikel (Erstveröffentlichung bei ILA) in voller Länge in Peru-Vision.com zu veröffentlichen.

Deutschland ist ein modernes Einwanderungsland. Mehr als 11.000 Peruaner*innen haben hier ihre Heimat gefunden, ihre Familien gegründet und verdienen Ihren Lebensunterhalt. Im Gegenzug gibt es ungefähr 12.000 Deutsche in Peru. Auf beiden Seiten kommt es auf der juristischen Ebene zu schwierigen und belastenden Situationen, weil die für sie gültigen Rechtsordnungen ihrer persönlichen Lage und der gesellschaftlichen Realität nicht angepasst sind.

Schon seit geräumter Zeit lang, mittlerweile, aber immer drängender stellt sich die Frage, wie die rechtlichen Herausforderungen, die dauerhafte Einwanderung in Deutschland und Peru mit sich bringt, gemeistert werden können. Nicht nur im Bereich des internationalen öffentlichen Rechts, sondern auch und erst recht im (internationalen) Privatrecht spüren die Betroffenen unmittelbar die Problematik: in alltäglichen Familienangelegenheiten und -problemen, im Fall von Trennung und Scheidung – zu persönlichen Problemen und Krisensituationen juristisch-bürokratische hinzukommen.

Helfen würde, wenn Deutschland im Rahmen einer doppelten Staatsangehörigkeit die peruanische Staatsangehörigkeit anerkennen würde und umgekehrt Peru die deutsche. Peru selbst lässt die doppelte Staatsbürgerschaft an sich ohne weiteres zu; wer sie nicht erlaubt, ist Deutschland. Wenn ein/e peruanische/r Staatsangehörige/r die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen möchte, muss er/sie deshalb auf die peruanische verzichten, um die deutsche erlangen zu können. Außer der peruanischen lassen auch die Verfassungen von Kolumbien, Panama und Paraguay zu, dass Ihre Bürger*innen auf ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft verzichten, um eine andere anzunehmen, alle anderen Länder Lateinamerikas erlauben dies nicht. Länder wie zum Beispiel Mexiko, Argentinien, Brasilien, bestehen darauf, dass auf die ursprüngliche Staatsbürgerschaft niemals verzichtet und sie niemals aufgegeben werden kann. Also wird diesen Bürger*innen bei Anerkennung der deutschen Staatsbürgerschaft die doppelte Staatsbürgerschaft gewährt.

Im Fall der Länder wie Peru, die ihre Staatsbürger*innen als solche ziehen lassen, ergeben sich zahlreiche Nachteile für die Betroffenen: Im Herkunftsland Peru, in dem ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft bestand, können sie ihre zivilen und politischen Rechte nicht geltend machen. Sie gelten nicht mehr als Peruaner*innen und werden in ihrer Heimat wie Ausländer*innen behandelt. Die psychischen Belastungen und sozialen Folgen, auch der Identitätsfragen, können erheblich sein.

Was muss geschehen?Erstveröffentlichung in der Zeitschrift ILA, Dezember 2021

Als Jurist*innen, Psycholog*innen, weitere Akademiker*innen und Institutionen, die mit den praktischen Problemen und Auswirkungen des Verlustes der (peruanischen) Staatsbürgerschaft konfrontiert sind, machen wir seit 2013 auf die Problematik aufmerksam. Wir gründeten in München das Komitee Gestor – inzwischen Komitee Gestor Internacional – und sind in mehreren Ländern (Niederlande, Luxemburg, Japan, Österreich, Taiwan, u.a.m.) vernetzt, um gemeinsam
Lösungen für die Staatsbürgerschafts-Probleme von Betroffenen zu formulieren und voranzubringen.

Das Komitee Gestor International setzt sich deshalb seit 2013 für die Änderung von Artikel 8 des peruanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes (Gesetz Nr. 26574) im Sinne einer Wiedererlangung der peruanischen Staatsangehörigkeit ein. Die Änderung des Artikels 8 wurde am 21. Juli 2021 vom Plenum des peruanischen Kongresses mehrheitlich (mit 106 Stimmen von 130 möglichen Stimmen) im ersten Abstimmungsdurchgang angenommen und damit wäre die Rückgewinnung der Staatsangehörigkeit wesentlich vereinfacht. Die Ausführungsverordnung des Gesetzes, damit es in Kraft treten kann, steht allerdings noch aus. Hier bedarf es weiterer Aufmerksamkeit.

Nach geltendem deutschem Staatsangehörigkeitsrecht würden allerdings Peruaner*innen, die ihre peruanische Staatszugehörigkeit wiedererlangen, automatisch ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren. Das allerdings ist den Betroffenen und ihren Familien im Normalfall nicht zumutbar. Erst recht nicht, wenn sie hier Wurzeln geschlagen haben.

Deutschland und die Beibehaltungsgenehmigung

Die Gefahr, die frühere Staatsbürgerschaft zu verlieren, besteht sowohl für Peruaner*innen mit einem deutschen Pass als auch für in Peru eingebürgerte Deutsche, die die peruanische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Es gibt ein Beibehaltungsverfahren für die deutsche Staatsangehörigkeit: es ist teuer, dauert lang und das Ergebnis ist letztendlich eine Ermessensentscheidung. Auf diese Weise haben viele Auslandsdeutsche ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren und auch ehemalige Peruaner*innen mit deutschem Pass. Aktuell weist die deutsche Rechtspraxis zwar einige erfolgreiche Verfahren auf, aber es sind nur leider sehr wenige Einzelfälle.

Gesetzesänderung statt bilateraler Verträge

Die Idee eines bilateralen deutsch-peruanischen Vertrags zur Staatsangehörigkeit ist originell und interessant. Eine Gesetzesänderung wäre allerdings einfacher zu bewerkstelligen als ein solch komplexer Vertrag. Sollte ein bilateraler deutsch-peruanischer Vertrag zwischen Deutschland und Peru abgeschlossen werden, müsste anschließend der Bundestag das Staatsangehörigkeitsgesetz ändern, damit Deutschland diesen Vertrag überhaupt erfüllen könnte. Die Bundesregierung bräuchte dafür die Unterstützung der Bundestagsmehrheit sowie anschließend die Zustimmung des Bundestages und möglicherweise auch des Bundesrates für die Ratifizierung.

Gäbe es eine solche Unterstützung durch die Parlamentsmehrheit, dann könnte das Staatsangehörigkeitsgesetz direkt – ohne den Umweg über ein bilaterales Abkommen – geändert werden. Und: Ein bilateraler Vertrag gilt eben nur bilateral, also außer für die Deutschen im Fall Peru nur für die Betroffenen dieses Staates. Warum sollte die Bundesregierung aufwändige Verhandlungen explizit mit der peruanischen Regierung führen? Eine solche Einzelinitiative scheitert, da sie ja auch kaum von einer Bundestagsmehrheit getragen würde. Wäre aber eine Mehrheit für eine Gesetzesänderung vorhanden, nicht für den bilateralen Vertrag, dann könnte man gleich das Problem im größeren Maßstab lösen, nämlich die ebenfalls betroffenen Länder wie Kolumbien, Panama und Paraguay einbeziehen.

Doppelte Staatsbürgerschaft

Die Debatte um ein modernes, unserer Einwanderungsgesellschaft würdiges und angemessenes Staatsangehörigkeitsrecht ist nach den Plänen der Bundesregierung, weitere restriktive Regelungen einzuführen und mit der letzten Gesetzesänderung von Sommer 2019 neu entfacht.

Wir haben als Komitee Gestor International das Ergebnis der Sondierungen zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FPD sehr interessiert verfolgt und vor allem Punkt Nr. 8 hinsichtlich einer Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) könnte gute Perspektiven eröffnen. Noch wissen wir nicht, ob und welche Ergebnisse im Detail zu einzelnen Staatsangehörigkeiten in den Arbeitsgruppen erzielt wurden. Wir werden sehen, ob und wie die Kernproblematik im Koalitionsvertrag und im anstehenden Regierungsprogramm enthalten ist.
Von der neuen Bundesregierung, die mit dem Image einer liberalen Grundausrichtung antritt, erwarten wir einen Gesetzentwurf für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht, der vom Bundestag noch in dieser neuen Legislaturperiode verabschiedet wird.
Es gilt jetzt, sich für die doppelte Staatsbürgerschaft einzusetzen; das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz ist entsprechend zu reformieren – und im konkreten Fall Peru muss die Ausführungsverordnung zur Wiedererlangung der peruanischen Staatsbürgerschaft in Kraft treten.

In jedem Fall gilt, dass ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht ein essenzieller Baustein ist, um eine plurale Demokratie zu ermöglichen.

Über den Autor

Ana Melva Pérez de Preitschopf

Ana Melva Pérez de Preitschopf

Frau Pérez de Preitschopf lebt und arbeitet seit 2006 in Deutschland. Sie hat an der LMU
München den akademischen Grad des Master Legums oder Master of Laws nach deutschem
Recht (LL.M) erworben und ist das erste Mitglied bei der Rechtsanwaltskammer in München
für peruanisches Recht.

Sie arbeitet in einer internationalen Kanzlei in München „Dr. Hofmann & Abogada Pérez“
und mit einer peruanischen Kanzlei in Lima. Sie kann sehr gut mit verschiedenen
Rechtsordnungen umgehen.

Die internationale Kanzlei ist eine klassische Anwaltskanzlei speziell für deutsch- und
spanischsprechende Mandanten. Die Kanzlei verfügt über langjährige Berufserfahrung und
arbeitet für Mandanten in Deutschland, Spanien, Perú und Lateinamerika auf 
verschiedenen Gebieten. Die Schwerpunkte sind Familien-Erbrecht, Internationales
Privat- und Migrationsrecht.

Frau Pérez de Preitschopf ist auch Mitglied der Rechtsanwaltskammer in Lima-Perú,
Münchener-Anwaltsverein e.V. und den Deutschen- Anwaltsverein.
Sie arbeitet seit 2008 als Familienberaterin und Referentin bei einem Verein, der sich für Gesundheits- und Beratungseinrichtung von Migrantinnen und Migranten engagiert.
Sie ist Mitgründerin des „Komitee Gestor International“ ehemaliges „Komitee Gestor Münich

Kommentare (2)

  • Erika

    Erika

    11 September 2023 um 15:22 |
    Hallo wann werden wir peruaner ein doppelte Staatsangehörikeit bekommen? Also wann wird es letzt endlich seitens Deutschland akzeptiert?
    MfG

    antworten

    • Gerardo Basurco

      Gerardo Basurco

      17 September 2023 um 23:41 |
      Die Entscheidung liegt beim Bundestag, es wird voraussichtlich Ende Jahr oder im nächsten erfolgen.

      antworten

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.