03. Juni 2014

"Create Your Voice" in Peru: Mit Musik Grenzen überschreiten

Von Richard Meier - Freier Mitarbeiter, Themen Bildung/Forschung | Soziale Entwicklung | Musik

Die Trinkwasserversorgung in Peru ist nicht nur in den Wüstengegenden an der Küste schwierig, sondern auch mancherorts im Hochland. Dort mangelt es zwar nicht an Niederschlägen, dafür belastet der Bergbau den Wasserhaushalt, weil er einerseits selbst viel Wasser verbraucht und zum anderem Giftstoffe in Lagunen und im Grundwasser hinterlässt. In der Region Cajamarca beschwört dies schon seit längerem Auseinandersetzungen zwischen Landbevölkerung und Regierung bzw. Minengesellschaften herauf. Auch in dem Andenstädtchen Contumazá, in dessen Nähe Grabungen geplant sind, sorgen sich die Menschen um das Wasser, wie vier junge Künstler aus München feststellten, die ein Jahr durch Peru tingelten, um mit Heranwachsenden Musik zu machen.

In einem einwöchigen Workshop brachten sie in dem Ort einigen Kindern und Jugendlichen das Songwriting bei, damit diese in eigenen Liedtexten und Choreographien ein Thema, das sie bewegt, umsetzen. Herausgekommen ist dabei das Stück “Aguita mi vida”  – “Wasser, mein Leben”, von dem dieses Video gedreht wurde:

Die Wassermusik in Contumazá ist nicht das einzige Werk, das die Künstlergruppe zusammen mit Kindern in Peru schuf. Auf einer anderen Station ihrer Reise, in der Stadt Nauta im Amazonas-Gebiet, entstand ein Videoclip zum Thema Sprache und Identität, der sich zu einem Hit auf Youtube entwickelte und den auch Fernsehsender, Radiostationen und Zeitungen aufgriffen. Die jungen Protagonisten wurden daraufhin nach Lima, Cuzco oder Iquitos eingeladen, um auf Veranstaltungen, die von regionalen Kultusministerien organisiert wurden, ihr Lied darzubieten. Dies belebte die Diskussion darüber, ob man nicht die volkstümlichen Ur-Sprachen Quechua und Kukama als festen Bestandteil in die schulischen Lehrpläne aufnehmen sollte.

Die vier Künstler hatten schon zuvor in Deutschland und in Afrika ähnliche Musik- und Filmworkshops auf die Beine gestellt und zu diesem Zweck den Verein “Create Your Voice” gründet. Annalu ist eine von ihnen und erläuert uns die Idee dahinter und ihre Erfahrungen.

Worum geht es Ihnen bei Ihren Musikprojekten?

Wir wollen mit Kunst und Musik etwas in der Welt bewegen, und sei es nur, Menschen einfach Freude zu bereiten. Der Name unseres Vereins „Create Your Voice“ steht dafür, Menschen in benachteiligten Lebenssituationen, insbesondere Kindern und Jugendlichen, eine Stimme zu geben. Das wollen wir durch Musik- und Videoprojekte sowie Social Media erreichen, mit der Überzeugung, dass man mit Kunst und Musik Grenzen überschreiten kann und sich damit kulturelle Brücken auf internationaler Ebene bauen lassen. In Deutschland begannen wir mit Social-Media-Projekten mit minderjährigen Flüchtlingen, und zuvor hatten wir entsprechende Erfahrungen bei unseren Aufenthalten in Namibia und in der Westsahara/Algerien gesammelt.

Wie sind Sie danach auf Peru gekommen?

Südamerika stand als Reiseziel schon lange auf unserer Traumliste. Einer der "4 Vientos" (Vier Winde), so nannten und fühlten wir uns vor und während der Reise, stammt aus Peru, und somit entschieden wird uns für das Land als Einstieg nach Südamerika. In Peru leben bis heute, trotz positiver Entwicklung der letzten Jahre, noch viele Menschen in Armut oder in schwierigen sozialen Verhältnissen, sodass gerade junge Menschen oftmals gar nicht die Möglichkeiten haben, da herauszuwachsen. Eines unserer wichtigsten Ziele ist nicht nur Bildung, sondern auch die Möglichkeit, bei jungen Menschen den Glauben an sich selbst zu stärken. Nämlich, dass sie etwas mit eigener Kraft und Kreativität schaffen können. Es war überwältigend zu sehen, wie viele verborgene Talente dieses Land hat, und wie die Musik von den Peruanern geliebt und gelebt wird. Das kam auch in Deutschland sehr gut an.

Wie haben Sie Partner vor Ort für Ihre Projekte gefunden?

Unsere wichtigsten Projektpartner sind vor allem Kinder und Jugendliche, die ihre Talente und Kreativität entdecken oder ausleben möchten und Lust haben, an den Workshops und Projekten teilzunehmen. Vereine, Schulen und soziale Einrichtungen kontaktierten wir meist auf Empfehlung und Mundpropaganda hin, oder diese fragten selbst bei uns an, ob wir mit ihren Schützlingen etwas unternehmen wollen... Uns begleiteten immer tolle Begegnungen, Zufälle oder, wenn man so sagen will, Wunder – und natürlich die Musik, die wir auf Straßen, in Bars, Restaurants und kleinen Konzertsälen spielten. Über diese universelle oder grenzenlose Sprache konnten wir nicht nur Menschen auf unsere Projekte aufmerksam machen, sondern auch noch unseren Lebensunterhalts- und unsere Reisekosten selbst finanzieren.

Ist es in Peru einfacher als in Deutschland, auf diese Weise Geld zu verdienen?

Die Menschen in Peru sind da wohl etwas offener oder gelassener, was das Musizieren auf der Straße betrifft. Da wird nicht sofort die Polizei gerufen. Natürlich gab es auch Orte, an denen das Musizieren untersagt war, oder man eine Genehmigung brauchte, wie z.B. in Lima. Meistens spielten wir jedoch in Restaurants, Cafés oder Bars. Entweder man vereinbarte ein kleines Konzert mit Gage, oder man wählte die einfache Variante und spielte jeweils drei Lieder wandernd von Restaurant zu Restaurant oder in Bussen. Anschließend ging man mit dem Hut rum. Das war ganz einfach, und wurde auch von den Menschen dort freundlich angenommen. Die Lokalbesitzer und Busfahrer sind das schon von den vielen Reisenden gewöhnt und freuen sich meistens darüber, dass etwas Unterhaltung in ihren Laden kommt.

Was fanden Sie noch auf Ihrer Reise besonders bezeichnend für Land und Leute?

Neben den äußerst spektakulären Naturkulissen kann man sagen, dass die Menschen in Peru wahnsinnig offenherzig, großzügig und hilfsbereit sind. Sogar die, die nicht viel haben, schenkten uns Essen, wenn wir hin und wieder auf den Märkten spielten. Wenn wir unterwegs waren, wurden uns des öfteren Einladungen, Übernachtungsmöglichkeiten oder ganze Unterkünfte (auch für längere Zeit) angeboten. Einfach so... das war schon sehr bezeichnend für Land und Leute. Die Menschen, denen wir begegnet sind, waren außerdem neugierig, ausgelassen, spontan und hatten oft gute Laune. Auch wenn man Peru, gerade was Großstädte betrifft, viel Kriminalität nachsagt, fühlten wir uns mit den Leuten, die uns umgaben, immer sicher. Das war schön zu erleben. Natürlich gab es auch Momente, die einen sprachlos machten. Die Wasserproblematik hat uns dort vielerorts schockiert und selber betroffen. An manchen Orten gab es tagelang kein Wasser. Und gerade in den ärmeren Gegenden, wenn die Familien sich keinen Wassertank leisten können, konnte man diesen unzumutbaren Zustand kaum fassen.

Sie sind seit April zurück in Deutschland. Wie geht es nun weiter?

Zunächst müssen wir wieder „richtig“ arbeiten – damit meine ich Geld verdienen. Als Künstler haben wir noch andere Berufe, die wir nicht vernachlässigen wollen und können. Was den Verein „Create Your Voice“ betrifft, so wünschen wir uns, dass wir unsere wertvollen Erfahrungen von der Reise und das gewonnene Know-How auch in Deutschland oder noch an vielen anderen Orten dieser Welt teilen und praktizieren dürfen. Wir sind nun darauf angewiesen, uns um Unterstützer und Förderer zu bemühen, um mit unserer Arbeit überhaupt fortfahren zu können. Die Vereinsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und die Mengen an Filmmaterial, die noch darauf warten, verarbeitet zu werden, nehmen wahnsinnig viel Zeit in Anspruch. Wir glauben aber fest daran, dass wir die richtigen Projektpartner finden werden. Da sind wir ziemlich offen und zuversichtlich. Solange wir weiterhin das machen dürfen, was wir lieben: Musik, Film, Kunst, Reisen und die Arbeit mit jungen Menschen. So ein Jahr wie in Peru kann nur bereichern und hat uns bestätigt, das Träume und Visionen wahr werden können, wenn man den Mut hat, sie zu leben. Und solange wir noch Träume haben, ist alles gut.

  • Mehr über den Verein und mehr Videos finden Sie hier.

Über den Autor

Richard Meier - Freier Mitarbeiter

Richard Meier - Freier Mitarbeiter

Bei Peru-Vision schreibt er zu Industrie- und Infrastrukturthemen.

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